JottZett-eSports – die zeitgemäße Erweiterung der Turnierkultur in Jugendzentren
Nur wenige Jugendliche kommen noch zum Töpfern in Jugendzentren. Gegen die Abwanderbewegung aus Jugendzentren helfen neue Konzepte, die Jugendliche dort abholen, wo sie sich befinden. Und dies ist zum Leidwesen einiger Ehrenamtlicher nicht mehr der Ort, an dem sie sich vor 20 Jahren befunden haben.
Jugendzimmer ähneln im Vergleich zu früher Technologiezentren, in denen Jugendliche über diverse Kommunikations- und Interaktionskanäle mit ihresgleichen verbunden sind. Diese Jugendlichen holen sich Aufmerksamkeit und Anerkennung auch über digitale Technik. Aufmerksamkeit und Anerkennung dienen immer noch zur Erfüllung ihrer Entwicklungsaufgaben und zur Bestätigung. Darin unterscheiden sie sich nicht von früheren Jugendgenerationen. Anders sind lediglich die aktuellen Mittel und Wege. Das Messen mit anderen auf digitalen Turnierplätzen beispielsweise gehört für sie zum Alltag.
Das Konzept „JottZett-eSports“ nimmt den in Jugendzentren schon verankerten Turniergedanken auf und erweitert ihn um aktuelle Aspekte. Billard- und Fußballturniere gehören seit Jahren in das Repertoire der außerschulischen Arbeit, um besonders den wettbewerbsorientierten Jungen Erfolgserlebnisse und Identität zu bieten, die vielleicht im schulischen Umfeld nur Versagen erleben. Deren Interesse an Computerspielen findet allerdings kaum Widerhall in der Arbeit der Hauptamtlichen.
Eine bedürfnisorientiert arbeitende Jugendarbeit muss sich allerdings heute zum Gespräch über das Spielinteresse und die Spielgewohnheiten ihrer Zielgruppe anbieten. Eine Jugendarbeit, welche den Medienalltag von Jugendlichen ausblendet, behindert sich selbst bei einer erfolgreichen Beziehungsarbeit. Nun fällt es den Hauptamtlichen nicht immer leicht Computerspiele in ihre Arbeit mit aufzunehmen. Zu groß die Unkenntnis, zu klein die Bereitschaft sich auf diese Medien einzulassen. Eine wichtige Unterstützung gibt das Konzept „JottZett-eSports“ aus dem Projekt „Hauptsache Action“.
Ziele von JottZett-eSports
- Die Jugendlichen sollen die Möglichkeit bekommen ihr Computerspielkönnen zu zeigen und dieses Können soll geschätzt werden.
- Mindestens eine haupt- oder ehrenamtliche Kraft soll die Jugendlichen bei dem Wettbewerb als Pate/in begleiten.
- Es sollen sich nach Möglichkeit viele Jugendzentren beteiligen können.
- Durch den Wettbewerb soll die Auseinandersetzung mit Computerspielen in der außerschulischen Arbeit gefördert.
Zu den Hauptzielen des Projektes „Hauptsache Action“ (Facebook-Seite hier) der Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen (kurz: LJS) zählt die Verankerung von Computerspielen in der außerschulischen Arbeit. Neben kleineren Konzepten wie zum Beispiel „Spielaffe-Tester“ ist 2011 der erste eSports-Wettbewerb von Jugendzentren in Niedersachsen ausgefochten worden.
18 Jugendzentren nahmen an der Wintersaison teil. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass es möglich ist Computerspiele niedrigschwellig in Jugendzentren zu verankern und sich dadurch Gespräche und eine Beschäftigung mit Computerspielen ergeben, die durchaus Reflexion als ein hehres Ziel der Medienpädagogik anstoßen kann.
Durchführung
In einer Gruppe auf Facebook und anhand zweier Real-Treffen entstand innerhalb sechs Monaten das Konzept als Ergebnis einer Kooperation der LJS mit Mitgliedern aus dem Verein total verpLANt. Zunächst diskutierten wir über die aufzusetzende Internetplattform. Es kamen typische eSports-Plattformen zur Sprache. Nachteil dieser Plattformen war zum einen die Komplexität, welche sich für MitabeiterInnen aus der außerschulischen Arbeit als nicht niedrigschwellig genug erwies, und zum anderen die Gebühren. Wir entschieden uns für eine Joomla-Installation. Darauf wollten wir Mannschaften, Spieler aus Jugendzentren in Online-Spielen gegeneinander spielen lassen.
Nach langer Diskussion blieben Pacman, Simon, Space Invaders und Frogger. Diese Spiele haben den Vorteil, dass sie auch MitarbeiterInnen aus ihrer Mediensozialisation bekannt sind. Die Online-Spiele werden durch die Freeware-Offline-Spiele Trackmania Nations, Super Tux, Hydorah und Icy Tower ergänzt. Diese Spiele können von der Seite herunter geladen werden und haben Systemanforderungen, welche auch (gespendete) Jugendzentrums-PCs erfüllen.
Zusammengefasst sollten die Spiele folgende Eigenschaften haben:
1) Die Spiele sollen aus dem Freewarebereich kommen.
2) Die Spiele dürfen keine hohen Hardwareanforderungen stellen, damit jedes Jugendzentrum ohne Neuanschaffung daran teilnehmen kann..
3) Die Spiele sollen einer USK-Einstufung „Freigegeben ab 12 Jahren“ entsprechen.
Über den Email-Verteiler der LJS gibt es ein paar Wochen zuvor ein Werbeposting an alle Jugendzentren, welches konkret auf den eSports-Wettbewerb hinwies. Im Anhang befindet sich ein A4-Zettel zum Ausdrucken und Aufhängen, der die Jugendlichen auf die Seite aufmerksam machen soll.
Hauptamtliche und Ehrenamtliche übernehmen eine Patenfunktion für die Spieler und melden das Jugendzentrum an. Die Anmeldung kann während der gesamten laufenden Saison bis zwei Tage vor Schluss erfolgen. Sie erhalten dann ein Passwort, mit welchem sie den Spielbereich freischalten können, in dem die Punkte der Jugendlichen gezählt werden. Ebenfalls müssen sie Fotos oder Screenshots von den Punkteständen der Offline-Spiele anfertigen und per Mail einschicken. Ein Tutorial dafür gibt es auf der Seite.
Es werden die erreichten Punktestände aller Spiele zusammengerechnet. Erst aus dem Gesamtergebnis ergibt sich der Gewinner.
Erfahrungen
Die erste Wintersaion fand vom 15.09 bis 15.12 statt. 18 Jugendzentren aus Niedersachsen meldeten sich an und spielten gegeneinander. Das Jugendzentrum Bethlehem-Keller-Treff in Hannover entschied die Saison für sich und gewann ein halbes Jahr den Besitz des von der LJS gestifteten Pokals und eine in ihrem Haus veranstaltete Computernacht, welche von der LJS durchgeführt wurde.
Eine Email-Abfrage bei den Paten ergab positive Rückmeldungen. In einem Jugendzentrum kam aufgrund der Beschäftigung mit Computerspielen eine Diskussion über Onlinespiele zwischen MitarbeiterInnen und Jugendlichen auf. In einem anderen Jugendzentrum kannten einige Jugendliche das Spiel Trackmania nicht und bauten daraufhin wochenlang Strecken mit dem integrierten Editor. Die Ehrenamtlichen spielten auch mal selber. Die Punkte haben aber die Jugendlichen gemacht 😉
Die Sommersaison von JottZett-eSports in Niedersachsen ist am 15. März gestartet.
Dies ist ein Gastbeitrag von Jens Wiemken. Der Autor ist seit 1989 in der außerschulischen Jugendarbeit in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen an „Neuen Medien“ tätig, hatte Lehrtätigkeiten an verschiedenen Hochschulen (Bremen, Gießen, Magdeburg, Osnabrück, Vechta) und ist seit 2010 Referent für Medien der Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen. Jens Wiemken wurde 2009 ausgezeichnet mit dem Dieter Baacke Preis für das außerschulische Medienprojekt „Hardliner“.