Open Source Web Office
Cloud Computing ist ja schön und gut, aber ein schlechtes Gefühl bleibt dabei schon zurück: Mensch muss sich immer wieder die Frage stellen, wo denn die eigenen Daten so landen, wer sie verwaltet und auf welchem Server sie sich eigentlich befinden. Um einiges cooler wären Web-Anwendungen mit der gleichen Funktionalität, die mensch sich auf dem eigenen Server installieren könnte. Gerade für Medienpädagogik und Jugendarbeit böten sich tolle Möglichkeiten bei maximaler Datensicherheit.
Bis vor kurzem dachte ich, diese Idee wäre eine Utopie und Webanwendungen auf dem eigenen Server unrealistisch. Dann sind mir zwei Anwendungen – eyeOS und OpenGoo – über den Mauszeiger gelaufen, die fast genau das bieten. Und ich habe sie (dank an Manuel) gleich mal auf ihren Praxiswert für die Medienpädagogik kurzgetestet.
Um was gehts?
OpenGoo ist eine einfache Weboffice-Applikation für Arbeitsgruppen, die auf jedem Webserver mit Datenbank und PHP installiert werden kann. Sie bietet jeweils ein Modul für die Verwaltung von Aufgaben, Kalender, Kontakten, Weblinks und internen Nachrichten. Außerdem bietet OpenGoo einen Editor für Textdokumente und Präsentationen (!).
eyeOS geht einen Schritt weiter, macht seinem Namen alle Ehre und liefert wirklich einen browserbasierten Desktop inkl. Drag&Drop und Co. Auch eyeOS kann einfach auf einem normalen Webserver mit mySQL und PHP installiert werden. Mit dem System können verschiedene BenutzerInnen in einer Arbeitsgruppe zusammen arbeiten und dabei standardmäßig auf Kalender, gemeinsame Dokumente, eine Aufgabenverwaltung und einiges mehr zurückgreifen, chatten und sich interne Nachrichten austauschen. Auch hier gibt es integrierte Office-ähnliche Applikationen. Der Clou: Es können beliebig viele weitere „Programme“ in der Umgebung installiert werden, die weitere Funktionen bieten. Diese kleinen Erweiterungen sind über eine eigene Website kostenlos verfügbar. Clou Nummer Zwei: Auch OpenGoo kann in diese Oberfläche mit einer eigenen Applikation eingebunden werden!
Beide Anwendungen sind OpenSource, damit kostenlos und werden von einer Community entwickelt und gepflegt.
Installation und Handhabung
Sowohl OpenGoo als auch eyeOS sind sehr schnell installiert – ähnlich einfach wie andere PHP-basierte Webanwendungen, die Installation ist gut dokumentiert und benötigt max. 15 Minuten. Großes Manko bei eyeOS ist, dass die Applikation volle Lese- und Schreibrechte für den ganzen Ordner benötigt. Das ist an sich nicht unbedenklich und macht insbesondere bei manchen ProviderInnen Probleme.
Ansonsten ist die Handhabung grundsätzlich recht einfach; aufgrund der Mächtigkeit von eyeOS braucht mensch hier zunächst ein paar Momente bis klar ist, wie Applikationen installiert werden, BenutzerInnenrechte vergeben werden usw. Für beide Anwendungen gibt es hilfreiche Foren (OpenGoo, eyeOS) und ein Wiki (eyeOS).
Praxiswert und Fazit
eyeOS ist erstaunlich souverän, funktioniert fließend, hat eine fast umfassende Drag&Drop-Funktionalität und ein wirkliches Desktop-Feeling (so, dass ich als Mac-User immer versuche Exposé aufzurufen). Auch opengoo sieht gut aus, erinnert auf den ersten Blick schon an Google Docs und ist sehr stabil und souverän (bisher eigentlich noch beta).
Bitter ist allerdings (und das gerade zeichnet ja „professionelle“ CloudComputing-Angebote wie Google Docs aus), dass an vielen Orten Importfunktionen fehlen – insbesondere für Kalender, teilweise auch für Kontakte. Export und Import von Dokumenten im Office-Format ist nicht möglich und damit auch keine „richtige“ Zusammenarbeit mit Office-Desktop-Programmen.
Gerade letzteres disqualifiziert die beiden Anwendungen für den vollwertigen Einsatz in der alltäglichen Arbeit, wie er theoretisch ja mit Google, Office Live, Acrobat und Co. möglich ist. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass kollaborative, dezentrale medienpädagogische Projekte (bspw. zur Film-Recherche) mit OpenGoo und/oder eyeOS unterstützt werden und die Arbeit mit einem fremdgehosteten Wiki ersetzen. Insbesondere kann die Arbeit mit einem solchen System für den Aspekt des Datenschutzes sensibilisieren.
Und auch wenn beide Systeme bisher nicht mit den Angeboten der „großen“ HerstellerInnen mithalten können, sie zeigen auf jeden Fall, dass auch aus OpenSource-Bereich auch Cloud-Computing-Anwendungen zu erwarten sind – und dass eigenes Hosting alles andere als eine Utopie ist.