Animierte Strichmännchen

"Animierte Strichmännchen in der Medienpädagogik"

Für den Einstieg sollte der/die Durchführende den Jugendlichen die Illusion von Bewegung anschaulich machen. Dazu einen Filmstreifen aus Papier vorbereiten (ein A3-Papier als Filmstreifen zurechtgeschnitten und ebenso bemalt). Anhand des Streifens wird das Grundprinzip der Wahrnehmung erklärt: die schwarzen Balken durchbrechen die Bilderfolge und grenzen die einzelnen Bilder von einander ab. Diese Abgrenzung gibt dem Gehirn die Möglichkeit die Veränderung auf den Bildern zu erkennen und zur Bewegung zusammenzusetzen. Mit einem Daumenkino kann die pädagogische Fachkraft das Grundprinzip der Animation verdeutlichen. Wenn viel Zeit zur Verfügung steht, kann der Durchführende auch eine Wundertrommel oder ähnliche „Filmapparate“ aus früheren Tagen einsetzen.

Der erste Schritt ist die ‚zündende Idee‘:
Jeder Film benötigt eine Geschichte, die spannend, lustig, traurig oder vielleicht sogar gruselig ist.

Der zweite Schritt: Hintergrund
Ist diese Geschichte gefunden, wird sie in Einzelteile zerteilt:

  • der Hintergrund wird in Paint bunt und detailreich gezeichnet
  • sollte ein ‚realistischer‘ Hintergrund gewählt werden, kann auch mit Bildbearbeitungsprogrammen wie Gimp gearbeitet werden
  • alles, was sich bewegen soll, wird in Pivot erstellt. (Männchen, Schaukeln, Ringelspiel, Figuren, wachsende Blumen et cetera)

Um ein gutes Ergebnis zu bekommen, werden nun der Hintergrund und die Männchen zusammengeführt – das heißt, das Paint-Bild wird importiert. Nach diesem Bild richten sich dann auch die Männchen (Größe et cetera). Prinzipiell könnte der Hintergrund auch erst am Ende der Animation eingefügt werden. Dann muss sich aber das Bild den Figuren anpassen.
Noch ein Tipp: Soll sich der Hintergrund ändern, muss eine neue Animation erstellt werden. In Pivot lässt sich nur ein Hintergrund verarbeiten. Die einzelnen Filme können dann im Movie Maker zusammengesetzt werden. Dann erst entsteht ein „Szenen- und Ortswechsel“.

Der dritte Schritt: Animation
Ist der Hintergrund eingerichtet und das erste Strichmännchen richtig platziert, wird ein ‚Frame‘ (also ein Einzelbild) erstellt. Danach werden die beweglichen Teile in minimalen Schritten bewegt und nach jeder Veränderung ‚fotografiert‘ (vergleichbar einer digitalen Legetricktechnik in der Trickboxx). Spielen wir nachher die Bilder ab, entsteht der Eindruck eines Filmes und von Bewegung. Je mehr Frames und je kleiner die Bewegungen – desto fließender wird die Bewegung sichtbar. Das alleine wäre schon lustig, doch dann beginnt die ‚Pantscherei‘, die etwas Feingefühl erfordert. Diesen ‚Film‘ speichert man als GIF – also als eine animierte Bildabfolge.

Der vierte Schritt: Musik
Was wäre nun ein ‚Film‘ ohne Musik? Wie eine Torte ohne Zuckerguss. Im Music Maker Silver können mittels einzelner Musikbausteine eigene Musikhintergründe erstellt werden (wichtig auch für etwaige Copyrightprobleme). Auch die Musik wird gespeichert. Als Waveoder MP3-Datei. Sollten Geräusche oder Sprache für die Vertonung nötig sein, so empfiehlt sich Audacity als Gratis-Tonschnittprogramm.

Der fünfte Schritt: Zusammensetzen
In dieser Phase sieht der Ausführende, ob die einzelnen Teile wirklich zusammenpassen. Zunächst wird der „Gif-Film“ in das Schnittprogramm importiert. Ebenso die Musik, die auf die Szenerie abgestimmt werden muss.

Pädagogische Ziele

  • Erkennen und begreifen, wie Einzelbilder zu einem ganzen Film zusammengesetzt werden.
  • Begreifen von Tricks im Film, das heißt, wie die Zuseherin oder der Zuseher manipuliert werden kann.
  • Begreifen, dass die Bilder auch die Geschichte transportieren müssen, das heißt, es ist wichtig zu überlegen, welche Figuren verwendet werden sollen, welche Hintergründe et cetera also sowohl Bildaufbau und –komposition, als auch Bildbotschaft.
  • Begreifen, wie Musik Bilder beeinflusst.

Zielgruppe

  • Kinder
  • Jugendliche

Eingesetzte Medien

  • Video

Ziele

  • Medienanalyse und -kritik

Varianten, Erweiterungen, Modulationen

Eine erprobte Variante: Eine bestehende Geschichte weitererzählen.
Die Durchführenden sehen mit den Kindern gemeinsam ein Bilderbuchkino. Zum Beispiel: Rabe Socke, Alles meins, Esslinger Verlag Das ist eine Geschichte, die ums „finden, bevor es andere verloren haben“ (also klauen) geht. Diese Geschichte kann als thematische Vorlage dienen: Stehlen. Oder man verwendet sie als Startpunkt und lässt die Kinder und Jugendlichen die Geschichte weiter erzählen.

Variation 2: thematische Vorgaben z.B. Frühlingserwachen – wie aus einem Samen eine Blume sprießt. Ideal auch fächerübergreifend: Ökoprojekt oder Biologie – der Regenwurm, der sich durch den Kompost wühlt. Alles Themen, die eine zeitlich limitierte Umsetzung zulassen. Wichtig dabei auch, dass die Produkte als GIF auch in Mails, auf der Website oder anderen Programmen eingebettet werden können und so auch zur „Werbung“ werden können – was gleichzeitig wieder Thema sein kann. Solche Animationen können auch als medienpädagogisches Rahmenprogramm für Projekte angeboten werden. So entstehen in etwa 15 Minuten ganz einfache Sequenzen wie Kopf rollen, ein paar Schritte gehen et cetera, vergleichbar mit Flipbildern in der Trickboxx.

Tipps & Tricks

Je nach Alter und Geschlecht gibt es Unterschiede. Ältere Kinder und Jugendliche sind naturgemäß geduldiger und machen daher beim Verrücken der Figuren kleinere Abstände, die dann eine fließende Bewegung ergeben. Jungs sind meist in Kämpfe verwickelt, etwa Karate oder mit Schusswaffen und fliegenden Pistolenkugeln – das ist ihr Metier. Bei den Mädchen wird oft viel mehr Wert auf liebliche Ausgestaltung gelegt. Sie haben „friedliche“ Themen wie Spielplatz, Kommunikation.
Mögliche Konsequenzen für die pädagogische Umsetzung:

  • Bewusst ‚neutrale‘ Themen wählen und vorgeben, etwa im fächerübergreifenden Unterricht Themen aus Mathematik, Biologie et cetera umsetzen lassen
  • den Unterschied thematisieren
  • den Unterschied sehen und mit der Themenwahl die Möglichkeit geben, an die eigene Situation anzuknüpfen, dann ändert sich die Darstellung von Gewalt

Die Kinder haben außerdem sehr schnell heraus, wie das Prinzip funktioniert. Am Anfang ist es wichtig, ihnen auch Zeit fürs Experimentieren zu geben – sie treiben dann viel Unfug mit den armen Strichmännchen. Wären diese real und nicht aus einzelnen Strichen zusammengesetzt, müsste man Angst um ihr körperliches Wohl haben – so verbogen und fast schon verknotet werden sie. Es macht den Kindern und Jugendliche (und erfahrungsgemäß auch Erwachsenen) viel Spaß zunächst ohne Sinn die Männchen zu bewegen. Mit der Zeit merken die Teilnehmenden dann, dass hinter Animationen sehr viel Arbeit steckt. Sie erkennen auch, dass viele kleine Einzelteile im Bild bewegt werden müssen – vergisst man etwas weiterzubewegen, bleibt es natürlich unbewegt. Klingt logisch und klar – und doch vergisst man manchmal, dass sich beim Gehen auch der Kopf leicht mitbewegt oder die Hand et cetera.

Positiv ist aufgefallen, dass Kinder sich hier über längere Zeit konzentrieren können. So können speziell jüngere Kinder eben dieses üben – mit viel Spaß. Notwendig ist auch, Kindern und Jugendlichen Raum für Austausch zu lassen. Sie lieben es, sich gegenseitig die Filme zu präsentieren. … und das schon nach den ersten zehn Einzelbildern. Es hat bisher noch nie negatives Feedback oder ein Herabwürdigen eines Produktes einer anderen Schülerin oder eines anderen Schülers gegeben. In den zahllosen Umsetzungen gab es immer nur Verbesserungsvorschläge und Tipps von den Mitstreitern. Einzig eine Herausforderung ist bekannt. Bei Kindern im Grundschulalter passiert es immer wieder, dass Kinder gekränkt sind, wenn andere ihre zündende Idee aufgreifen. Mit Feingefühl muss dann die pädagogische Fachkraft dem Kind verstehen helfen, dass die Idee so toll war, dass die anderen sie aufgegriffen haben. Auch in zeitlich kurzen Varianten gibt es tolle Animationen, die speziell Eltern immer wieder baff machen – und Kinder stolz.

Schwierigkeiten

Die größte Schwierigkeit ist, eine KURZE gute Geschichte zu finden, die dann umgesetzt werden kann. Kinder haben zum Start meist Schwierigkeiten eine Geschichte zu beginnen. Je nach Zeitvorgabe, kann man zum Beispiel als Impuls besprechen, welches Genre die Animation haben soll – Krimi, Action, …. Ist das geklärt, nehmen die Kinder meist einen Faden auf, der sich innerhalb kürzester Zeit zu einem Blockbuster auswächst. Um die Frustration gering zu halten, drosselt die pädagogische Fachkraft die Geschichte wieder zurück. Beim Umsetzen wissen die Kinder auch warum: Man muss jedes Bild einzeln erstellen! Grenzen ergeben sich in der Länge der Animationen. Bei älteren Geräten kann es passieren, dass das Umwandeln ‚hängen‘ bleibt oder nicht alles umgewandelt wird. Es empfiehlt sich eher kürzere Sequenzen zu erstellen. Wenn Sequenzen aufgeteilt werden, kann auch der Hintergrund geändert werden – das geht leider technisch in einer durchgehenden Animation nicht.

Feedback

Eltern sind immer wieder begeistert, was ihre Kinder leisten. … und Kinder naturgemäß stolz. Wir haben mit den fertigen Strichmännchen-Animationen bei unterschiedlichen Wettbewerben teilgenommen. Bei Computer Talents 2012 wurden Teile unserer Kinder Sieger in der Altersgruppe Volksschule (Grundschule), bei Ars Electronica U19 freestile kamen sie in die 2. Runde. Selbst sind die Kinder immer ganz fasziniert, was mit den Strichmännchen alles getan werden kann und wollen immer selbst das Programm Pivot benutzen.


"Animierte Strichmännchen in der Medienpädagogik"


Checkliste

Räumliche und zeitliche Bedingungen:

  • ein Arbeitsplatz mit einem PC oder Laptop für je ein bis zwei Kinder.
  • Vier oder mehr Stunden Zeit.
  • Kleingruppen bis ungefähr zehn Kinder; bei größeren Gruppen sind die Kinder mehr auf sich gestellt. In diesem Fall ist es wichtig aufzupassen, dass alle das Prinzip begreifen. Dann funktioniert es auch, wenn man den Kindern über die Schulter schaut.

Vorkenntnisse der Projektdurchführenden:

  • Grundbegriffe der Wahrnehmung: Die Trägheit des Auges bedingt 24 bzw. 48 Bilder je Sekunde, um Bewegung wahrnehmen zu können. (Rudimentäre Bewegungen können mit acht Bildern dargestellt werden.) Im Projekt nimmt man auf die 24 Bilder Bezug, um den Jugendlichen einen Begriff vom Arbeitsaufwand zu geben bzw. die Bewegungen fließend zu gestalten.

Materialien:

  •  Es werden Programme ausgewählt, die gratis und/oder auf Windows-PCs enthalten sind.
  • Paint (Malprogramm)
  • Bei ‚realem‘ Hintergrund Bildbearbeitungsprogramme wie Gimp
  • Pivot (Animationsprogramm, Freeware)
  • Audacity (Musikschnitt, Freeware – zum Schneiden von Musik/Tönen)
  • Magic Musikmaker Silver (Freeware – zum „Komponieren“ eigener Musik)
  • Windows Movie Maker (Videoschnittprogramm)
  • Zur Demonstration ist ein vorbereitetes Daumenkino geeignet.

Links & Material

Pivot-Download:
www.pivot-stickfigure-animator.softonic.de

Windows Movie Maker
www.windows.microsoft.com/de-AT/windows7/products/features/movie-maker

Tipps und Tricks für die Medienbildung
www.medienbildung4.me
www.medienkompetenz.me

Praxisberichte
www.medienimpulse.at


About

Elisabeth Janca
Zentrum für Medienkompetenz
buero@medienbildung4.me
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Zentrum für Medienkompetenz: Arbeitsschwerpunkt ist Medienbildung für Menschen von vier bis 99. Für uns sind Medien wie Lebensmittel – wir können nicht ohne; es gibt gute und schlechte – also wollen wir unterstützen ein sinnvolles Medienmenü zusammenzustellen.

Elisabeth Janca: Mein Arbeitsschwerpunkt ist Theorie in Praxis umzusetzen und immer wieder neue Konzepte zu finden, konzipieren, umzusetzen und weiterzugeben. Das heißt, alles was wir in der Theorie der Medienpädagogik zur Verfügung haben, in die Praxis umzuformen und erlebbar zu machen. Nicht dozieren sondern gemeinsam praktisch tun.

Verfasst am 02.12.2012
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