Spielbesprechungen als Beteiligungsform im Netz

Computerspielbesprechungen in der MedienpädagogikDie Landschaft der Computerspiele entwickelt sich in hohem Tempo. Regelmäßige technische Neuerungen und Spieletrends verlangen eine besonders hohe Kritikfähigkeit von spielenden Kindern und Jugendlichen, aber auch von allen Erwachsenen in pädagogischer Verantwortung. Aufgabe der Medienpädagogik ist es, Kindern und Jugendlichen Beteiligungsformen aufzuzeigen und anzubieten sowie zum Meinungsaustausch über Computerspiele zu ermutigen.

In diesem Beitrag stellen wir von Kindern und Jugendlichen selbst verfasste Spielbesprechungen als eine Beteiligungsform vor, die von spielbar.de in Zusammenarbeit mit Schulen, Jugendeinrichtungen und Jugendvereinen praktiziert wird. spielbar.de stärkt als interaktive Plattform der Bundeszentrale für politische Bildung den Austausch zwischen Spielenden und Nicht-Spielenden aller Altersgruppen. Die Spielbesprechungen von Kindern und Jugendlichen richten sich in diesem Zusammenhang an Gleichaltrige, aber auch an „gamesferne“ Erwachsenenmilieus, die mehr darüber erfahren wollen, was ihre Kinder und Jugendliche bzw. Schülerinnen und Schüler in Bezug auf Computerspiele bewegt und fasziniert.

Als Beteiligungsform docken Spielbesprechungen an die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen an, in der Computerspiele eine unbestrittene Rolle einnehmen. Diese (intrinsische) Motivation alleine aber genügt in der Praxis häufig nicht. Erst durch medienpädagogische und redaktionelle Betreuung werden Spielbesprechungen zu einer überzeugenden Form aktiver Medienarbeit.

Wie eine Spielbesprechung konkret entsteht

Ein gutes Beispiel ist die Zusammenarbeit von spielbar.de mit dem infocafe Neu-Isenburg. Seit 2008 haben die Kinder und Jugendlichen des infocafes knapp 40 Spielbesprechungen und zahlreiche Kommentare zu Spielbesprechungen Dritter verfasst. In der Regel entstehen die Texte dabei in mehreren Schritten. Am Anfang steht die gemeinsame Spielauswahl. Sowohl die redaktionelle Planung von spielbar.de als auch die Wünsche und Interessen der Kinder und Jugendlichen spielen hier eine Rolle. Es folgt – unter medienpädagogischer Betreuung vor Ort – die Spielphase. Die Kinder und Jugendlichen analysieren und bewerten die Computerspiele anhand von altersadäquaten Fragebögen, die von allen Beteiligten gemeinsam entwickelt wurden. Auf Basis der Stichpunkte auf dem Fragebogen wird später der Text verfasst. Eine Spielbesprechung bei spielbar.de besteht dabei immer aus zwei Hauptteilen, der Spielbeschreibung und der Spielbeurteilung. Die Beschreibung ist objektiv und neutral. Ihr folgen eine oder mehrere Beurteilungen in Form von Kommentaren, die unterschiedliche Meinungen beinhalten können und sollen. Damit sollen Spielbesprechungen ausdrücklich zur Diskussion anregen.

Wie eine Spielbesprechung entsteht

Wie eine Spielbesprechung entsteht (Ausschnitt, klicken zum Download des PDF)

Erfahrungen mit unterschiedlichen Altersgruppen

Wichtig ist, den Kinder und Jugendlichen je nach Alter und Vorerfahrung Gliederungshilfen für den Text und pädagogische Unterstützung in der Schreibphase anzubieten. Gerade die Differenzierung zwischen der objektiven Beschreibung und ihrer persönlichen Meinung fällt Kindern und Jugendlichen erfahrungsgemäß häufig noch schwer.

Je jünger die Kinder, desto wichtiger die pädagogische Betreuung. Das unterstreichen auch unsere Erfahrungen mit der Computerspiele-AG der 5. Klasse einer Berliner Grundschule. Für Kinder in diesem Alter empfehlen sich etwa Konzentrationsspiele zur Steigerung der Aufmerksamkeit, gerade weil ihnen der Übergang von der lockeren Spielphase zur Schreibphase häufig schwer fällt. Sie brauchen regelmäßige Bildschirmpausen, um den Kopf frei zu bekommen. Eine Ansprechperson, die auch Rückfragen stellt, hilft ihnen, ihre Meinung zu artikulieren.

Nicht alle Kinder sind automatisch motiviert, wenn es darum geht, auch aktiv über Computerspiele nachzudenken. Die Begründung ihrer Meinung ist eine Herausforderung für Kinder. Auf die Frage, warum sie denn das Spiel toll fänden, kommt in vielen Fällen als Antwort: „Na, weil es cool ist“. Hier gilt es anzusetzen und in die Tiefe zu gehen. Nur wenn sie wissen, dass ihr Projekt keine „Spielestunde“ ist und sie die Beteiligungsform als Chance wahrnehmen, werden sie begeistert bei der Sache sein. Die Aussicht, dass ihre Texte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, wirkt dabei erfahrungsgemäß sehr motivierend auf die beteiligten Kinder und Jugendlichen.

Mit zunehmender Übung (und zunehmendem Alter) werden die Kinder sicherer. Beispielsweise hat sich mit den SpieL.E.testern der Computerspielschule Leipzig auf dieser Weise eine feste Testergruppe etabliert, die seit 2010 regelmäßig auf spielbar.de veröffentlicht. Hier werden die Spiele nicht nur anhand eines Kriterienkatalogs getestet, sondern auch anschließend kritisch in der Gruppe diskutiert. Ältere Jugendliche und erfahrene „Spieletester“ arbeiten schließlich völlig autonom an Spielbesprechungen, so etwa die Jugendlichen und jungen Erwachsenen von total verpLANt e.V., die bereits seit 2006 für spielbar.de aktiv sind. Sie werden von uns redaktionell betreut – mit abnehmender Notwendigkeit.

Ergebnisse

Mit den Spielbesprechungen erreichen wir drei medienpädagogische Ziele. Dazu zählt erstens allgemein die Förderung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen im Bereich Computerspiele. Zweitens schaffen wir Angebote zur Partizipation. Kinder und Jugendliche bilden sich nicht nur eine Meinung, sondern tun diese als Expertinnen und Experten für „ihre“ Medien durch ihre Texte auch kund. Drittens multiplizieren wir die Spielbesprechungen an Gleichaltrige, beispielsweise als „Tipps von Kindern für Kinder“. Texte von Gleichaltrigen sind authentisch und regen stärker zum Nachdenken über das eigene Spielverhalten an als (gut gemeinte) pädagogische Ratschläge.

Statements zu Computerspielen reichen von einfachen Kommentaren bis hin zu vollständigen Spielbesprechungen. Uns kommt es darauf an, auch niedrigschwellige Angebote zu etablieren, durch Kommentarfunktionen, Umfragen oder aktivierende Aktionen auf Messen und Jugendfestivals.

 

spielbar.de ist die interaktive Plattform der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema Computerspiele. spielbar.de informiert über Computerspiele und erstellt pädagogische Beurteilungen. Pädagoginnen und Pädagogen, Eltern und Gamer sind eingeladen, ihre eigenen Beurteilungen, Meinungen und Kommentare zu veröffentlichen.
Sie möchten selbst auch eine Spieletestergruppe aufbauen? spielbar.de steht bundesweit als Kooperationspartner zur Verfügung und strebt einen Ausbau medienpädagogischer Kooperationen mit schulischen und außerschulischen Trägern an.

Der Gastbeitrag wurde von Tobias Miller und Anne Sauer von der outermedia GmbH in Berlin verfasst. Seit 2007 betreuen sie die Redaktion von spielbar.de und führen medienpädagogische Workshops für Kinder, Jugendliche und Erwachsene durch.

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons BY-NC-ND-Lizenz.

Verfasst am 06.03.2012
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