Praxistest: Videoschnitt am Interaktiven Whiteboard

Videoschnitt am Whiteboard in der MedienpädagogikNicht immer teile ich die teilweise großen Heilserwartungen, die insbesondere im schulischen Bereich Interaktiven Whiteboards bzw. Smartboards entgegengebracht werden. Dennoch können solche Boards in manchen Phasen der Gruppenarbeit Prozesse sehr gut unterstützen.

Das gilt auch für Videoprojekte in der Medienpädagogik, wenn mehrere Jugendliche zusammen an einem Rechner einen Film schneiden möchten: Mehrere Menschen scharen sich um einen kleinen Bildschirm, es gibt nur eine Maus und eine Tastatur. Interaktive Whiteboards bzw. Smartboards dagegen bieten einen großen Bildschirm, die NutzerInnen können gleichberechtigt mit ihren Händen das Programm bedienen. Wieso also nicht auch Videos in Teilen an einem solchen Board schneiden?

Wir haben den Praxistext gemacht und ausprobiert, wann kollaborativer Videoschnitt an einem Interaktiven Whiteboard in medienpädagogischen Projekten Sinn macht und welche Schnittprogramme sich dafür eignen. Außerdem haben wir einige Praxistipps zusammengestellt.

Der Gesamteindruck

ist famos: Alle getesteten Schnittprogramme lassen sich gut bis sehr gut am Interaktiven Whiteboard (IWB) bedienen – alles fühlt sich an wie am Computer, allerdings viel direkter, das Programm lässt sich „anfassen“, fast entsteht ein „iPhone-Feeling“.

Gleichzeitig kann auch die Begeisterung nicht darüber hinwegtäuschen, dass längeres Arbeiten am Board sehr ermüdend sein kann. Auch kann der Mensch direkt am Board aufgrund der Nähe zum Bildschirm schnell den Überblick verlieren. Technisch sind CutterInnen Einschränkungen unterworfen: Da es sich bei dem IWB um ein Singel-Touch-Display handelt, sind Tastaturbefehle sehr umständlich und es kann immer nur mit einer Hand gleichzeitig gearbeitet werden. Insgesamt ist ein IWB mit Videoschnittprogramm auch sehr ressourcenintensiv.

Die geeignetsten Programme sind iMovie06 (OS X) und der MovieMaker (Win).

Mit dem Schnittprogramm auf Tuchfühlung

Einsatzmöglichkeiten beim Videoschnitt in medienpädagogischen Projekten

Insgesamt sind IWBs in Projekten aufgrund der genannten Probleme sicher nur phasenweise einsetzbar, dann aber um so sinnvoller:

  • Gemeinsame Festlegung des Rohschnitts: Der Gruppenprozess wird unterstützt, die Zusammenarbeit vereinfacht. Alle Gruppenmitglieder können vor dem Board gemeinsam und gleichberechtigt diskutieren und am Produkt arbeiten.
  • Einführung ins Programm: Die Bedienung lässt sich anschaulich erklären, einzelne Aspekte können mit den Markern hervorgehoben werden.
  • Visualisierung von verschiedenen Aspekten: Mit Hilfe der Marker ist eine anschaulische Bildanalyse möglich, konzeptionelle Überlegungen können direkt in die Timeline gezeichnet werden.

Konzepte erarbeiten direkt in der Timeline

Praxistipps

Eine wichtige Frage ist, wie die Zusammenarbeit von mehreren Menschen am Board gestaltet wird. Uns sind verschiedene Möglichkeiten in den Sinn gekommen:

  • EinE ModeratorIn ist am Board, die Gruppe gibt die Anweisungen.
  • Jeweils eine Person geht für eine Aktion/ihren jeweiligen Vorschlag ans Board.
  • Eine Person sitzt am Rechner, schneidet im Auftrag der Gruppe, Ideen können auch direkt am Board demonstriert werden.

Eine weitere Herausforderung ist die fehlende Tastatur, insbesondere für CutterInnen, die Shortcuts gewöhnt sind. Auch hier gibt es Workarounds:

  • Eine externe Tastatur wird direkt ans Board gestellt.
  • EinE TastaurbeauftragteR führt die Anweisungen der Gruppe aus.
  • Kann das Programminterface angepasst werden, so kann der Playbutton zentral positioniert und anschließend zweihändig gearbeitet werden. Das ersetzt zumindest die fehlende Leertaste.

Ein zentraler Playbutton ersetzt die fehlende Leertaste

Videoschnitt-Software im Whiteboard-Test

Was wir mit was getestet haben

  • Wir haben mit einem Smartboard 685ix, Windows Vista und OS X 10.6.3 gearbeitet, in beiden Fällen mit Treiberversion 10.
  • Mit jedem Programm haben wir importiert, Clips eingefügt, grob geschnitten, getrimmt, Audio, Übergänge und Effekte eingefügt.

MovieMaker 6

Einer der beiden Testsieger:

  • Alle Aktionen hat der MovieMaker einwandfrei gemeistert, teilweise allerdings reagiert das Programm etwas störrisch.
  • Die Software hat ein einfaches Interface, lässt sich entsprechend (zumindest grob) einrichten.

Magix Video Deluxe 2007/2008

Das Programm ist IWB-geeignet, aber insgesamt nicht zu empfehlen.

  • Auch hier funktionieren alle Aktionen sehr gut, das Programm reagiert weicher
  • Das Interface lässt sich sehr gut einrichten (frei beweglich).
  • Die Feinbedienelemente sind etwas diffizil zu erreichen (bspw. Anfasspunkte).
  • Die Software ist fast zu komplex.
  • Das Programm benötigt sehr viel Rechnerleistung.

iMovie06

Der zweite Testsieger:

  • Alle zu bewältigenden Funktionen meistert das Programm sehr gut,
  • das Interface passt, lässt sich aber auch nicht anpassen.
  • Die Software reagiert sehr weich, sehr intuitiv; die grafische Umsetzung passt gut zum Smartboard, das Programmverhalten ist sehr motivierend.
  • Der ansonsten sehr vorteilhafte (Video)Monitor ist zu groß, damit ermüdend und verwirrend.

iMovie09

Das Programm ist die große Enttäuschung des Tests:

  • Die „einfachen“ Funktionen (Grobschnitt, Effekte, Titel, Musik) sind leicht zu bewältigen, allerdings die „coolen“ Feinfunktionen von iMovie09 nicht.
  • Die eigentlich sehr intuitive Bedienung ist für das IWB zu diffizil und an Feinheiten der Mausbewegung angepasst, so dass die Zeige- und Klick-Steuerung nicht genügt.
  • Scrubbing ist unmöglich (?), weil kein „Schweben“ des Mauszeigers möglich ist.

Final Cut Pro 5

Die große Überraschung des Tests: Die sehr komplexe Software lässt sich fast komplett souverän über ein IWB steuern, dennoch macht das wegen der Umständlichkeit in der Praxis nur in Ausnahmefällen Sinn.

  • Alles funktioniert – insgesamt mit einer sehr souveränen Bedienung, da für alles ein Button vorhanden ist.
  • Das Interface lässt sich gut anpassen.
  • Komplexe Funktionen brauchen allerdings ihre Zeit (bis zu 5 Klicks für eine Aktion).

Diesen Artikel habe ich gemeinsam mit Adrian Weidmann verfasst. Adrian Weidmann studiert Diplom-Pädagogik an der Uni Mainz und schreibt derzeit seine Diplomarbeit über den Einsatz Interaktiver Whiteboards an Schulen.

Vielen Dank an die AG Medienpädagogik der Uni Mainz für die zeitweise Überlassung des Smartboards!

Eike Rösch Kurzbio
ist Dozent für Medienbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich und war zuvor mehrere Jahre als Medienpädagoge in der Jugendarbeit tätig. Er arbeitet an seiner Promotion an der Universität Leipzig zu Jugendarbeit in der digitalen Gesellschaft und hatte und hat Lehraufträge verschiedener Hochschulen.
Verfasst am 07.06.2010
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