Social Video: Mit Facebooks „Riff“ Kurzclip-Ketten produzieren

Bewegtbild im Internet ist ein erfolgversprechendes Modell, diese Einsicht hat sich in den letzten Jahren dank des Erfolgs von YouTube und Co. flächendeckend verbreitet. In der Vielzahl der Social-Media-Dienste waren Videoanwendungen zunächst eine kleine Nische, derzeit befinden sie sich jedoch auf neuen Höhenflügen, nicht zuletzt dank des technischen Fortschritts bei Smartphones und der Verbreitung mobiler Daten-Flatrates. „Social Video“ lautet das Zauberwort, das das „next big thing“ werden könnte – aus wirtschaftlicher wie auch aus jugendkultureller Sicht. Die Innovationen und Fortentwicklungen, die derzeit im Webvideo-Bereich quasi im Sekundentakt veröffentlicht werden, sollten wir daher auch in der Medienpädagogik und der Jugendarbeit aufmerksam verfolgen.

Webvideo-Status-Quo

Zunächst waren es bereits etablierte Dienste wie Facebook, WhatsApp und Instagram, die innerhalb ihres Angebots das Versenden bzw. Veröffentlichen kurzer Videobotschaften ermöglichten. Bald entstanden neue Angebote wie Twitters Kurzclip-Dienst Vine, Instagrams Zeitraffer-Angebot Hyperlapse oder das Präsentations-Tool Nutshell aus dem Hause Prezi. Parallel dazu boomt derzeit das Angebot an Livestreaming-Diensten, allen voran YouNow, das Anfang 2015 in Deutschland für teils panische Aufschreie sorgte, das bislang aber den Untergang des Abendlandes nicht herbeiführen konnte. Der Live-Video-Dienst Meerkat sorgte gar für soviel Wirbel, dass Twitter kurzerhand den Konkurrenten Periscope aufkaufte, um im Livestreaming-Markt mitzumischen.

Ein anderer, oft schon totgesagter Internetgigant hat dieses wilde Treiben entspannt beobachtet und währenddessen an einer eigenen Innovation gebastelt: Facebook entwickelte mit der App Riff ein Produkt, das auf einer völlig neuen Grundidee basiert, nämlich auf dem Prinzip von Video-Ketten. Dieser Ansatz greift am kosequentesten das soziale Element des Begriffs „Social Video“ auf und könnte daher (auch und gerade für die aktive Medienarbeit) ein vielversprechendes Modell werden.

Wie funktioniert Riff?

Die Riff-App ist derzeit für Android und iOS verfügbar und ausschließlich über einen Facebook-Account nutzbar. Als User bietet mir die kunterbunt und quietschvergnügt gestaltete Anwendung zunächst eine Zufallsauswahl an Clips, die ich mir ansehen kann. Um ein eigenes Werk zu erstellen, muss ich zunächst einen oder mehrere Stichworte bzw. Hashtags angeben, die als Titel für meinen neuen Clip dienen. Drücke ich dann den Startknopf, legt die App auch direkt los und gibt mir max. 20 Sekunden Zeit, um eine Videoimpression aufzuzeichnen. Ein Pause-Button ist nicht verfügbar, ich kann also (anders als in anderen Diensten) meinen Clip nicht aus mehreren Versatzstücken zusammenstellen, sondern muss ihn am Stück filmen. Dann veröffentliche ich meinen Clip, entweder nur innerhalb von Riff oder auch bei Facebook.

Nun folgt das Besondere: Meine Freunde haben die Möglichkeit, eigene Antworten oder Reaktionen an meinen Clip anzuhängen, d.h. sie drehen eigene Kurzclips, die automatisch zu meinem Clip hinzugefügt werden. Alle Zuschauer meines Clips sehen von nun an auch die Reaktionen meiner Freunde und die weiteren Reaktionen der Freundesfreunde. Ich habe einen Impuls gesendet, der sich eigenständig weiterentwickelt und auf dessen Fortsetzungen ich keinerlei Einfluss mehr habe. So entsteht eine kollaborative Videokette aus zahlreichen Blickwinkeln.

Segen oder Fluch?

Die Bewertung dieses Ansatzes ist natürlich zweischneidig: In kulturpessimistischer Tradition lässt sich bemängeln, dass Urheber- und Persönlichkeitsrechte hier völlig ausgehebelt werden. Die ursprüngliche Intention eines Videoclips kann durch Antwort-Clips in eine völlig andere Richtung gewendet werden, die Weiterentwicklung der Videokette verläuft möglicherweise völlig unerfreulich. Ich verliere die Kontrolle über mein Werk, also sollte ich besser die Finger von dieser App! Oder nicht?

Es lassen sich auch positive Aspekte erkennen: So bietet Riff eine neuartige Version von „sozialen Medien“, von kooperativer und kollaborativer Gestaltung medialer Ergebnisse. Der Dienst verlangt den Usern ein gewisses Grad von Neugierde und Offenheit ab, er verspricht Überraschungsmomente und unvorhersehbare Wendungen. Private oder gar intime Aufnahmen sollten mit Riff besser nicht erstellt werden, für alles Andere, für triviale, spontane, kreative Kurzclips ist die App ideal. Je anregender der erste Impuls ist, umso aufregender werden vermutlich die Reaktionen ausfallen.

Fazit

Für die Medienpädagogik und die aktive Medienarbeit bietet Riff ein ideales Instrument, um über mögliche Stolpersteine und Risiken von Online-Veröffentlichen aufzuklären und zugleich den kreativen Umgang mit Handykameras zu üben. Leider verfügt der Dienst derzeit noch über einige Einschränkungen (z.B. ist die App nur für Smartphones verfügbar, nicht für Tablets, und Videos lassen sich nur mit einem Facebook-Profil erstellen, nicht mit einer Facebook-Seite oder mit anderen Diensten). Dennoch steckt in Riff unglaubliches Potential, und so könnte dieser Dienst eine ideale Spielwiese für spannende Webvideo-Projekte werden. Lasst es uns ausprobieren!

Björn Friedrich Kurzbio
Björn Friedrich arbeitet als Medienpädagoge im SIN - Studio im Netz, München, mit den Schwerpunkten Social Media, Games und Jugendpartizipation. Daneben ist er als Referent für Vorträge und Fortbildungen tätig. Mit Tobias Albers-Heinemann schrieb er mehrere Elternratgeber, zuletzt 2018 "Das Elternbuch zu WhatsApp, YouTube, Instagram & Co." (O'Reilly Verlag, Köln). Mit Michael Dietrich und Sebastian Ring veröffentlichte er 2020 den Sammelband "Medien bilden Werte. Digitalisierung als pädagogische Aufgabe" (kopaed, München).
Verfasst am 05.05.2015
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