Musik selber machen mit Android-Apps
Mit Smartphones und Tablets kann man recht professionell Musik machen oder mit einfach zu bedienenden Apps kreativ werden. Und die hohe Verbreitung der Geräte ermöglicht nachhaltiges arbeiten in der Medienpädagogik. Denn oft haben die Teilnehmer das „mobile Studio“ auch nach dem Workshop immer verfügbar in der Hosentasche dabei. iOS Apps für iPhone/iPod/iPad haben wir im ersten Artikel zu dem Thema behandelt. In diesem Teil zwei geht es um Apps für die Android Plattform. Und hier läuft einiges schlechter und anderes besser als auf den Apple Produkten.
Zwar gibt es eine Vielzahl von Sound Apps im Google Play Store von denen einige unten vorgestellt werden. Auch sind hier die Preise oft geringer als bei Apple. Aber leider steht der Nutzung vieler Apps die schlechte Latenz des Android Systems entgegen.
Das Android Latenz Problem
Latenzzeit bezeichnet im Musikbereich die Verzögerung zwischen dem Spielen einer Note und dem Hören des resultierenden Tones. Man geht allgemein davon aus, dass der Mensch eine Latenz von mehr als 11 tausendstel Sekunden (ms) wahrnimmt.
Spielt man eine (echte) Gitarre, hört man das Zupfen nach ca. 1 ms. Spielt man ein virtuelles Instrument auf einem iOS Gerät beträgt die Latenz ca. 10 ms. Die minimale Latenz bei den meisten Android Geräten liegt bei über 100 ms. Musikinstrumente mit einer so hohen Latenz zu spielen ist sehr schwierig und macht den meisten schlicht keinen Spaß mehr.
(Vergleich Latenz zwischen Android 4.04 und iOS 5.1.1)
Der Grund für die höhere Latenz liegt nicht primär in der Hardware sondern im Android System. Während die Apple Entwickler die Latenz von vorne herein mitbedacht haben, hatte das Thema bei Android anscheinend keine Priorität. Zwar hat Google das Thema seit der Entwicklung von Android 4.1 und 4.2 auf dem Schirm. Die Latenz auf den aktuellsten Geräten ist aber trotzdem über 70 ms. Dazu kommt, dass Android Geräte oft nur verspätet oder gar nicht mit dem aktuellsten Betriebssystem ausgestattet werden. Das Latenzproblem wird Android Nutzer daher zumindest mittelfristig begleiten.
[Update: Appmusik mit Android – da geht (endlich) was! Angefangen mit dem Samsung Professional Audio SDK und Soundcamp erledigt sich die Latenzproblematik auf Android. Mehr Infos hier.]
Anschlüsse: der Vorteil von Android
Auf der Anderen Seite hat Android einen großen Vorteil gegenüber iOS – es versteht sich besser mit USB. So kann man seit Android 3.2 USB Midi Instrumente direkt an Android anschließen. Mein Midi Piano wird durch mein Tablet (Motorola Xoom 2 Media Edition 4.0.4) problemlos erkannt. Leider gibt es bislang aber nur sehr wenige Apps, die mit Midi Inputs umgehen können (z.B. Grand Piano Pro, Opus #1 Pro, TouchDAW Free, USB Midi Monitor).
(Funktioniert nicht mehr mit Grand Piano Free sondern nur noch mit der Pro Version.)
Leider unterstützt Android noch nicht von Haus aus die Möglichkeit über USB auch Töne auszugeben oder aufzunehmen. Nur mit der App USB Audio Recorder PRO (3,49 €) kann man auch professionelle USB Audio Interfaces (Soundkarten) mit Android nutzen. Auf diese Weise kann man z.B. professionelle Mikrofone mit XLR Anschluss verbinden und hochqualitative Aufnahmen machen. Der Anschluss von Audio Interfaces erweitert die Fähigkeiten von Android ungemein. Leider löst die Nutzung von Audio Interfaces nicht die Latenz Problematik und es kommt aufgrund der verschachtelten Software Architektur immer wieder zu Störgeräuschen.
Apps zur Musikproduktion
Es gibt viele (kostenlose) Musik Applikationen für Android. Leider haben sie aber wegen der Latenz Problematik mit Performanceproblemen auf dem von mir genutzten Motorola Xoom 2 Media Edition zu kämpfen.
Besser eignet sich mein Android Device für Tracker und Groveboxen um Beats zeitversetzt zu erstellen. Da stört de Latenz weniger.
My Piano (kostenlos)
11 gut klingende Instrumente die mit Effekten versehen werden können. Man kann auch Samples aufnehmen und pitchen. Spürbare Latenz, drückt man mehrere Testen hakt teilweise die App.
Real Piano (kostenlos)
Kindliche Optik, zehn Instrumente, einfache Aufnahme Funktion, Latenz spürbar, wenige Konfigurationsmöglichkeiten
Piano Instructor 2 und Guitar Instructor (kostenlos)
App um Piano bzw. Gitarre zu lernen, man kann mit midi Files auf verschiedene Weise üben (mit/ohne Zeitdruck), einfache Darstellung, Latenz spürbar, das Spielen von vielen Noten in schneller Folge bekommt die App nicht gut hin, was den Spaß sehr trübt. Loopfunktionen und viele Optionen unterstützen beim Üben. 100 Instrumente unterschiedlicher Qualität, Textanzeige
Pianist HD (kostenlos)
Zum Klavierlernen und Nachspielen von klassischen Stücken. Nett ist die Option an einem Tablett zu zweit zu üben. Das Interface ist aber nicht sehr intuitiv. Es wird nur angezeigt welcher Ton als nächstes gespielt werden soll aber nicht wann.
Magic Piano (kostenlos)
Hier wird das Spielen von Liedern wird hier Actionreich und ansprechend umgesetzt, leider wurden bei mir teilweise Töne verschluckt, Online Community, hier geht es nicht ums Lernen sondern den Spaß.
Guitar Solo Lite (kostenlos)
Komplexe und etwas unübersichtliche Gitarren App zum spielen und lernen. Umfangreiche Akkord Referenz. Die Vollversion (1,49 €) bietet unterschiedliche Gitarren und die Möglichkeit zu Musik aus der Android Bibliothek zu spielen.
Tracker
Caustic 2 (kostenlos/6,49 €)
Enthält drei unterschiedliche Synthesizer und eine Beatmaschine mit Samples von Klassikern wie dem 808 die unterschiedlich kombiniert und mit Effekten versehen und parallel im Sequenzer angeordnet werden können. Es können auch eigene Samples genutzt werden. Eine Aufnahmefunktion fehlt aber. Die ansprechende Präsentation im Stil eines Reck Mont (übereinander angeordnete Hardware Instrumente) ist für Einsteiger nicht komplett intuitiv, was bei dem Umfang aber auch schwer zu erreichen wäre. Nach ein wenig Einarbeitungszeit können recht anspruchsvolle Musikprojekte umgesetzt werden. Mit der Demo Version kann nicht gespeichert oder exportiert werden. Während dem Test gab es keine Aussetzer. Die Latenz war bei Eingaben spürbar, da man aber anordnet und nicht live einspielt ist das aber nicht unbedingt Problem. Umfangreiche Hilfe Funktion.
Zu Caustic gibt es ein aktive Community. Und so finden sich Play Store viele kostenlose und kostende Plugins um das Programm zu erweitern.
SPC – Music Sketchpad 2 Demo (kostenlos/3,99 €)
Umfangreicher Tracker mit der Möglichkeit integrierte Samples, andere Samples auf der SDKarte oder selbst aufgenommene Samples zu nutzen und in Patterns anzuordnen. Die Samples können auf verschiedene Weise bearbeitet werden (Schneiden, Normalisieren, Effekte…). Nach kurzer Eingewöhnungszeit recht praktikable Oberfläche. Auf der Testplattform kam es immer wieder zu kurzen Aussetzern. Da man aber keine Echtzeiteingaben macht, ist die für Android typische Latenz aber unproblematisch. Bei der Demo Version ist die Speicher- und Exportfunktion deaktiviert und es werden immer wieder Hinweise auf die Vollversion eingeblendet. Zum Zeigen und Herumspielen eignet sich die Version aber gut.
RD3 HD Groovebox Demo (kostenlos/3,99 €)
Klasse Grovebox Oberfläche vom SPC Demo Team. Erstelle Basslines oder Drum Loops die sich auch gut für den SPC Tracker eignen. Gute Tonqualität. In der Demo Version aber keine Speicher und Exportfunktion.
SunVox (3,79 €)
Ungewöhnlich aufgebauter Tracker mit modularen Synthesizern, eigenwillige Pixel Optik, Nutzung von WAV Samples, Aufnahmefunktion, multitrack Exportfunktion, gibt auch kostenlose Versionen für Windows und Mac, von der Community erstellte Tracks findet man unter https://soundcloud.com/groups/sunvox
PixiTracker 1Bit demo (kostenlos/0,76€)
Sehr einfach zu bedienender Tracker mit 1Bit-Sounds und Optik. Midi Eingabe möglich. Das bringt Erinnerungen zurück. Ein kreiertes Lied kann man sich visualisieren lassen. Bei der Demo Version kann man nicht speichern.
Audio Evolution Mobile (kostenlos/5,49 €)
Multitrack Audio Recorder (bzw. DAW) mit nicht destruktiver Editierfunktion, Undo/Redo, Mixer, Effekten. Intuitiv bedienbar, Hier kann also Aufgenommenes neu arrangiert verändert und gemastert werden, Unterstützung von Audio Interfaces (mit gleichem Code wie auch bei dem oben genannten USB Audio Recorder PRO) in Vorbereitung, Speichern nur mit der Vollversion.
Robo Vox – Voice Changer Lite (kostenlos, 0,99)
Live mit verschiedenen editierbaren Robotereffekten die Stimme verändern. Großer Spaß. Auch nützlich, wenn Jugendliche sich nicht trauen bei einem Projekt mit mit ihrer eigenen Stimme mit zu machen.
Speichern kann man nur mit der Vollversion, die dann 24 Effekte enthält.
FL Studio Mobile for Android
Viele professionellen Software Audio Firmen haben nur iOS Apps herausgebracht. FL Studio arbeitet zumindest an einem Android Ableger. Ein kein Veröffentlichungsdatum geben sie aber nicht an. http://www.image-line.com/documents/android.html
Midi verwenden
Midi ist ein Kommunikationsstandard durch den Steuerinformationen zwischen elektronischen Instrumenten ausgetauscht werden können. Für Android hat Midi unterschiedliche Bedeutung.
Zum einen gibt es Instrumente, die per Midi an Android angeschlossen werden können (wie USB Midi Keybards oder Controler). Leider können bislang nur sehr wenige Apps mit diesen Eingaben umgehen.
Zum anderen eignen sich die flexiblen Touch Displays der Android Geräte um Andere Dinge zu steuern. Im folgenden einige dafür geeignete Apps.
Midi Controller
TouchDAW (4,49 €)
MIDI Controller mit unterschiedliche Eingabemethoden (Keyboard, Pads, Regler) und aufgeräumter Oberfläche. Die App ist für die Kommunikation mit vielen populären Audio Programmen vorbereitet (Cubase, Ableton Live, FL Studio…). Sie versteht midi Eingaben über USB, Bluetooth und Wifi. Meine Akai Synth Station kommuniziert mit der App grundsätzlich.
Auf der TouchDAW Webseite wird Schritt für Schritt erklärt wie man sein Tablet mit DAWs wie Cubase und co. über WLAN verbinden kann. Ob alles funktioniert kann man mit einer beschränkten kostenlosen Version ausprobieren.
TouchOSC (kostenlos)
Auf iOS ist TouchOSC durch den verfügbaren Editor extrem mächtig. Man kann sich seine eigenen Layouts zusammenzimmern und so z.B. für jedes Lied spezifische Eingabelayouts erstellen, die nur die nötigen Regler und Schalter umfassen. Die Android Variante hinkt in der Entwicklung aber hinterher, der Editor fehlt. Die vier vorgegebenen Layouts sind nur sehr eingeschränkt nutzbar. Bis die Android App mit dem gewünschten Desktop Programm wie gewünscht zusammen arbeitet muss einiges eingerichtet werden. Ein Grund hierfür ist, dass die Dokumentation auf der Webseite leider sehr zu wünschen übrig lässt.
Lemur
Zu hoffen ist, dass Lemur (liine.net/en/products/lemur/), der Platzhirsch in dieser Kategorie, in Zukunft seinen Weg von iOS auf Android findet. Lemur gab es schon vor dem ersten iPad. Damals kostete die Hardware über 1000 Euro. Die sehr gute App ist mit 44,99 € da viel günstiger, wenn auch viel teurer als das vergleichbare TouchDAW.
USB Midi Monitor
Zeigt in Echtzeit an welche Midi Befehle das Android Gerät erreichen.
Ausblick
Während es eine Vielzahl von Geräten gibt, die die kreativen Audio Möglichkeiten von iOS Geräten erweitern, läuft der Markt von Geräten für Android erst gerade an. Auf der anderen Seite funktionieren viele USB Instrumente auch ohne spezifische Unterstützung für Android.
Vor Android 5 Lollipop bzw. dem Samsung Professional Audio SDK war die Sache aber trotzdem klar: iOS war das System der Wahl für Appmusiker. Das Latenzproblem auf Android vermieste die Entwicklungsanstrengungen der Musikapp Entwickler. Die technische Hürde sind durch Android 5 und das Samsung SDK jetzt aber gefallen (mehr Infos). iOS (iPod/iPhone/iPad) hat aber einen jahrelangen Vorsprung. Das Angebot an kreativen Soundapps wird Android an Quantität und vor allem Qualität zumindest mittelfristig überlegen bleiben.
Welche Sound Apps nutzen Sie? Wir freuen uns auf Tipps in den Kommentaren.
Dies ist ein Gastbeitrag von Ulrich Tausend und zeitgleich auf seiner Website erschienen. Der Autor (Jahrgang 1979, Diplom-Soziologe) befasst sich seit vielen Jahren mit Computerspielen. Als 20-jähriger gründete er die Onlinespiele Firma Neodelight.com, die im Jahr 2008 verkauft wurde. Seitdem erstellt er Lernspiele und konzipiert medienpädagogische Projekte. Er ist derzeit für den Bereich Jugendkultur bei der Freizeitstätte KistE in München angestellt. Außerdem unterrichtet er an der Mediadesign Hochschule, wo er sich mit sozialen und ethischen Aspekte von Gamedesign befasst. Er engagiert sich in den Initiativen Creative Gaming und gameLabor.