Communities als Projektplattform

Communitys als Projektplattform in der Medienpädagogik

Das Jugendmedienprojekt Modul7 – my open digital urban lab des Ackermannbogen e.V., in Kooperation mit dem JFF und „Konzept Grün“, fand von September bis November 2009 im Münchner Neubauviertel Ackermannbogen statt. Die soziale Randstellung von Jugendlichen bildet sich im Ackermannbogen auch räumlich ab. Jugendliche (Frei)Rauminteressen sind unterrepräsentiert und haben im wörtlichen und übertragenen Sinn wenig Platz im Quartier. Mit Hilfe zielgruppenadäquater aktivierender Beteiligungsformen sollten diese Defizite abgemildert und in Potenziale umgewandelt werden. Jugendliche wurden durch ihre Vorliebe für neue Medien motiviert, sich thematisch dem neuen Stadtteil zu nähern. Über diese mediengestützte Stadtteilerkundung sollten Jugendliche dafür gewonnen werden, sich mit ihren Mitteln und ihrer Sprache für ihre Belange im Stadtteil einzusetzen.

Das Projekt umfasste innerhalb der dreimonatigen Projektdauer folgende Elemente: Warmup-Phase (I), Aktionsphase (II), Redaktionsphase (III) in der KreativGarage und Präsentation (IV). Aktive und unerlässliche Kooperationspartner vor Ort waren die Nachbarschaftsbörse des Ackermannbogen e.V. und Konzept Grün. Sie entwickelten das Konzept mit und waren die zentrale Schnittstelle ins Quartier, öffneten Zugänge zu In- frastrukturen (Strom, Internet, Räume) und informierten Bewohnerinnen und Bewohner über die Projektziele und -verfahren.

Während der Warmup-Phase (I) in der Woche unmittelbar vor Projektbeginn zogen zwei Kamerateams durch das Viertel, um erste Interview zu führen, das Interesse der Bevölkerung und vor allem der Jugendlichen zu wecken, Flyer zu verteilen und Plakate aufzuhängen. Solche Hinweise im Vorfeld und ausreichend Zeit für die Aktionsphasen insgesamt sind wichtig, da es erfahrungsgemäß ein paar Tage dauert, bis sich ein offenes Angebot im Viertel herumspricht.

Um möglichst vielen Jugendlichen Beteiligungsmöglichkeiten zu bieten und die Öffentlichkeit im Quartier für die Interessen und Ansprüche junger Menschen an das Neubauviertel zu sensibilisieren, wurden an drei Herbstwochenenden frei zugängliche temporäre Aktionszelte aufgestellt (Phase II). Diese dienten als multimediale Produktionsstätte und Treffpunkt, boten Sitz- und Rückzugsgelegenheiten.

An drei Wochenenden entstanden kurze Filme und Handyclips über den Ackermannbogen (z.B. Umfragen von „Stadtteil- Reportern“, Dokumentarfilm), Fotografien und Bildbearbeitungen (öffentlich ausgestellte Plakate und Comics), Musik und Texte, zudem wurden digitale Spiele mit selbst eingefangenen Bildern und Tönen programmiert. Eine sehr niedrigschwellige Methode für die Auseinandersetzung der Jugendlichen mit dem Stadtquartier war die Talkbox. Dabei handelte es sich um einen abgetrennten Zeltabschnitt, in dem eine Kamera aufgestellt war und die Jugendlichen die Möglichkeit hatten, sich zu verschiedenen Fragen, die sich auf das Quartier oder das Projekt bezogen, zu äußern.

Als weiteres innovatives Element des Projektes war die parallel entstandene jugendeigene Community modul-7.de initiiert worden. In ihr erhielten die Jugendlichen zum einen die Möglichkeit der direkten Veröffentlichung ihrer Medienprodukte und zum anderen der Vernetzung untereinander. Als Plattform wurde hier ein Partnerportal von netzcheckers.net genutzt. Dieser sichere und nonkommerzielle Aktionsraum wurde vor allem von den jüngeren Teilnehmenden stark genutzt. Zur Kommunikation mit den älteren diente vorwiegend lokalisten.de, im Jahr 2009 noch die populärste Social Community unter Jugendlichen am Ackermannbogen.

In Phase III wurde versucht, aus den bislang beteiligten Jugendlichen eine festere Gruppe zu bilden, die sich regelmäßig in neu geschaffenen Quartiersräumen der KreativGarage treffen konnte, als Redaktion der neuen Stadtviertel-Community fungierte und auch längerfristig und intensiver Fragen der Planungsbeteiligung Jugendlicher bearbeitete. Im Laufe der Zeit entwickelte sich daraus ein offener Treff medieninteressierter Jugendlicher. Die Betreuung der Gruppe und der Community modul-7. de konnte nach dem Projekt in die Hände der mobilen Jugendarbeit im Viertel gelegt werden, die durch den Verein Stadtteilarbeit e.V. getragen wurde.

Den vorläufigen Abschluss des Projekts bildete die Präsentation und Diskussion der Ergebnisse (IV), die im Rahmen der feierlichen Eröffnung des neuen Medienraumes innerhalb der „KreativGarage“ des Ackermannbogens stattfand. Hier hatten die Jugendlichen die Chance, ihre Anliegen und kritisch-konstruktiven Vorschläge erwachsenen Bewohnerinnen und Bewohnern, sowie Vertreterinnen und Vertretern von Politik und Verwaltung in medialer Form zu präsentieren und anschließend mit ihnen darüber zu diskutieren. Anerkennung und Aufmerksamkeit erfuhren die Jugendlichen auch durch die Auszeichnung ihrer Ideen mit dem ersten Preis des Beteiligungswettbewerbs des Planungsreferats der Landeshauptstadt München.


Zielgruppe

  • Jugendliche

Eingesetzte Medien

  • Foto
  • Video
  • Audio
  • Web
  • Games

Ziele

  • Reflexion
  • Exploration
  • Artikulation
  • Medienanalyse und -kritik

Varianten, Erweiterungen, Modulationen

Projekte der Planungsbeteiligung von Kindern und Jugendlichen hängen stark vom aktuellen Planungsstand, den konkreten Beteiligungsmöglichkeiten im jeweiligen Viertel ab und seiner Sozialstruktur ab. Aktive Medienarbeit eignet sich zum einen, um die Wünsche, Ansprüche und Ideen von Kindern und Jugendlichen sichtbar und öffentlich kommunizierbar zu machen – für erwachsene Entscheiderinnen und Entscheider, aber auch für die Heranwachsenden selbst. Wichtig ist dabei, auf die Interessen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, sowie medialen Vorlieben der Beteiligten einzugehen.

Tipps & Tricks

Zentrale Erfolgsfaktoren des Projekts waren die Präsenz im öffentlichen Raum und das Schaffen einer Vielfalt von Aktions- und Artikulationsformen. Dadurch konnten zum einen viele Jugendliche, aber auch Erwachsene, erreicht und zum anderen die unterschiedlichen Interessen und medialen Vorlieben unter einen Hut gebracht werden. Die Vielfalt an Medien und niedrigschwelliger sowie aufwändigerer Produktionsangebote ermöglichte, dass relativ passgenau auf die Stärken, Wünsche und Bedarfe der Teilnehmenden eingegangen werden konnte. Erwachsene Passantinnen und Passanten erhielten Einblicke in die Sichtweisen Jugendlicher auf ihr Viertel und den Medienumgang Jugendlicher im Allgemeinen.

Damit es gelang, die jungen Bewohnerinnen und Bewohner des Ackermannbogens zu thematischer Arbeit zu motivieren, war Spaß an der aktiven Medienarbeit ein wichtiges Moment. Für leibliches Wohl zu sorgen ist hier nicht falsch und natürlich sind hier die Mitarbeitenden gefragt, für gute Stimmung zu sorgen und auf die Teilnehmenden zuzugehen. Aber auch ein adäquates und transparentes Programmangebot sind wichtig. Für manche war der Einstieg in eine tiefere und längere Auseinandersetzung mit dem Viertel, mit Videokamera und Tonangel ein paar Kurzinterviews mit Passantinnen und Passanten zu führen. Andere wollten gern einen Trickfilm produzieren und kamen dann zur terminierten Zeit wieder.

Schwierigkeiten

Der technische Aufwand von Medienarbeit open air und an einem öffentlichen Platz ist nicht zu unterschätzen. Das betrifft sowohl die einzuholenden Genehmigungen und Versorgung mit Strom- und Internetanschluss im Vorfeld, als auch die Sicherung der Geräte vor Ort, den Auf- und Abbau und die Abhängigkeit vom Wetter und die Verfügbarkeit von Alternativen wie z.B. den Umzug in geschlossene Räume. Gerade bei einem offenen Programm ist darauf zu achten, dass unterschiedliche Nischen und Räume geschaffen werden, damit sich z.B. sowohl jüngere, als auch ältere oder sowohl Mädchen, als auch Jungen Räume in der offenen Medienwerkstatt aneignen können und nicht eine Gruppe zulasten anderer dominiert.

Bei aktiver Medienarbeit stellt sich auch immer die Frage nach dem Umgang mit Persönlichkeitsrechten und dem Urheberrecht. Durch die Präsenz im öffentlichen Raum und die enge Kooperation mit der Nachbarschaftsbörse vor Ort entstanden auch gute Kontakte zu den Eltern der Teilnehmenden und die Möglichkeit, ihnen genau zu erklären, worum es bei dem Projekt geht und welche Fragen mit einer Veröffentlichung der Produkte und Personenabbildungen verbunden sind. Gerade die Eltern der Jüngeren schätzten das Angebot einer nonkommerziellen und in manchen Bereichen geschlossenen Online-Community als Handlungs- und Erprobungsraum.

Feedback

Im Verlauf des Projekts hat sich deutlich herausgestellt, dass gerade die Interessen älterer Jugendlicher im Viertel kaum bedient werden. So gibt es kaum Rückzugsmöglichkeiten und Treffpunkte. Im Jahr 2009 wohnten noch deutlich mehr ältere und jüngere Kinder in dem Neubauviertel. Dass der Mangel an Angeboten für Jugendliche zum Problem wird, ist hier eine Frage von wenigen Jahren. Die teilnehmenden Jugendlichen und anderen Stakeholder im Quartier bewerteten das Projekt deshalb vorwiegend positiv, vor allem die Attraktivität der Medienarbeit, die Potenziale für Reflexion und Vermittlung eigener Ansprüche wurden benannt: „Durch das Projekt haben viele Jugendliche von anderen Meinungen erfahren.“ (Lara, 11 Jahre) oder „Man sieht, dass hier eben nicht alles perfekt ist. Und viele Erwach- senen haben eingesehen, dass was fehlen muss.“ (Andi, 14 Jahre)


Checkliste

  • Flexible und vielfältig qualifizierte Teamerinnen und Teamer
  • Zeitliche Flexibilität (Kurzangebote bis zu mehreren Tagen)
  • Wechselndes und zeitlich fixiertes Programmangebot
  • Zentraler und leicht zugänglicher Ort im öffentlichen Raum des Quartiers
  • Kontakt zu zentralen Akteuren im Quartier (Quartiersmanagement)
  • Infrastruktur (Strom, Internet)
  • je nach gewählten Aktivitäten entsprechende Medientechnik

About

Sebastian Ring
JFF – Institut für Medienpädagogik
Sebastian.Ring@jff.de
www.jff.de

Das JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis wurde 1949 gegründet und befasst sich seither in For- schung und pädagogischer Praxis mit dem Medienumgang der heranwachsenden Generation. Ein Spezifikum des JFF ist die Verknüpfung von Forschung und Praxis: Die Ergebnisse der Forschung sind Grundlage für pädagogische Modelle in der Erziehungs-, Bildungs- und Kulturarbeit mit Kindern und Jugendlichen. Aus der pädagogischen Praxis wiederum erhält der wissenschaftliche Bereich wichtige Impulse.

Sebastian Ring hat Philosophie (M.A.) und Sozialpädagogik (Dipl.) in München studiert und ist seit 2006 medienpädagogischer Referent am JFF. Sein Arbeitsschwerpunkt ist die Modellentwicklung im Bereich digitaler und interaktiver Medien, insbesondere Web 2.0 und Computerspiele.

Verfasst am 10.12.2012
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