Machinima

"Machinima in der Medienpädagogik"Vorbereitung
Die Vorbereitung zu einem Spiel-Film-Festival konzentriert sich zunächst auf die zu erreichende Zielgruppe. Hier sind vor allem das Alter, die Homogenität und die potentiellen Vorerfahrungen der Teilnehmenden im Hinblick auf den Umgang mit Programmen und Games zu hinterfragen. Ist dies geklärt, können die zum Einsatz kommenden Tools vorbereitet werden. Die meiste Vorbereitungszeit wird dementsprechend in die Auseinandersetzung mit den Games und deren Möglichkeiten im Workshop gesteckt. Hierbei sind neben Lizenzfragen und Altersfreigaben vor allem Grundkriterien zur Machinima-Erstellung zu hinterfragen. Dabei wird schnell deutlich, dass es mindestens drei Möglichkeiten gibt, Machinimas zu erstellen.

Die erste und für Einsteiger freundlichste Variante ist es, auf Spiele zurückzugreifen, die eingebaute Machinimafunktionen bieten. Hier wären zum Beispiel Die Sims 3 (USK6), The Movies (USK12), aber auch GTA 4 (USK18) zu nennen. Alle Spiele gelten als ‚All in One‘ Tools, die von der Videoaufnahme, über die Bearbeitung mit Timeline und Co. bis hin zum Rendering alle nötigen Schritte im Spiel mit sich bringen. Die nächste Kategorie wäre es, Spiele zu nutzen, die weder eine interne Aufnahme noch Bearbeitungsfunktion mit sich bringen. Hier können eigentlich alle Spiele zum Einsatz kommen, die mit ihrem Genre und ihrer Aufmachung den für die umzusetzende Geschichte nötigen Rahmen bieten. Es sollte jedoch auf bestimmte Voraussetzungen geachtet werden, die erstgenannte Spielekategorie schon mit sich bringt. Zu diesen gehören:

  • frei bewegliche Kamera,
  • die Möglichkeit Cheats und Trainer zu benutzen und
  • die Möglichkeit das HUD und Einblendungen (bis hin zu den Spielfiguren) auszublenden.

Die Spielszenen werden dann mit externen Programmen wie zum Beispiel Fraps aufgenommen und in externen Bearbeitungsprogrammen montiert.

Dritte und letzte Kategorie stellt die ursprünglichste Möglichkeit der Machinimaerstellung dar, bei der in den Programmcode eines Spiels eingegriffen wird. Hierbei wird auf Spiele zurückgegriffen, die über sogenannte Software Development Kits verfügen, also die Möglichkeit bieten, programmiertechnische Eingriffe vorzunehmen. Letztgenannte Vorgehensweise ist in medienpädagogischen Kontexten kaum umsetzbar, da die technischen Aspekte gegenüber den inhaltlichen und prozessorientierten Schwerpunkten dominieren.

Sind die Spiele gefunden, werden kurze Präsentationen erstellt, die den Teilnehmenden veranschaulichen sollen, welche Möglichkeiten, Herausforderungen aber auch Grenzen bestehen. Dafür sollten je nach Kapazitäten verschieden Spielverantwortliche in der Durchführung benannt werden, die für das Testen der Spiele, die Erstellung der Präsentation und für die Betreuung im Workshop zuständig sind. Des Weiteren werden zwei Präsentationen zum Thema Machinima erstellt. Die erste Präsentation soll den Teilnehmenden die Intention, die Methodik und die prinzipiellen Möglichkeiten des Mediums näher bringen. Die zweite ist für die im Rahmen des Festivals geplante (rein rezeptive angelegte) Machinima-Kurzfilm-Nacht gedacht und soll mit ausgewählten internationalen Machinimas auch ein Publikum ansprechen, dass dem Thema Film zwar nahe steht, für die aber die Verbindung der beiden Medien Film und Spiel neu ist.

Durchführung
Der klassische Ablauf eines Spiel-Film- Festivals baut auf vier Programmpunkten auf:

Die Teilnehmenden werden durch entsprechende Präsentationen mit dem Thema Machinima und den im Festival nutzbaren Spielen konfrontiert. Danach werden erste Geschichten entwickelt oder mitgebrachte Ideen auf Machbarkeit hin hinterfragt. Die Teilnehmenden werden in Kleingruppen mit der zur Verfügung stehenden Hard- und Software vertraut gemacht und beginnen damit ihre Geschichte individuell oder im Team umzusetzen. Am Abend des zweiten Tages bricht
die Kurz-Film-Nacht bewusst den „normalen“ Workshopalltag auf, indem Besucher von außen einerseits die gezeigten Filme rezipieren und zudem die Möglichkeit besteht, den Machinima-Erstellern über die Schultern zu schauen und Fragen zu stellen. Am Ende des Festivals werden die erstellten Machinimas uraufgeführt und diskutiert.

Abschluss, Aufbereitung oder Präsentation
Die Präsentation der erstellten Machinimas wird als offener Event angeboten. Dabei stellen die Teilnehmenden ihre Filme vor und stehen für Rückfragen und Diskussionen zur Verfügung. Zudem wird der Workshop an sich ausgewertet. Da die Erstellung der Machinimas im gesamten Prozess auf rein digitaler Ebene stattfindet, steht der Veröffentlichung und Verbreitung der Ergebnisse auf Online-(Video)plattformen nichts im Wege.


Zielgruppe

  • Jugendliche
  • Fachkäfte

Eingesetzte Medien

  • Foto
  • Video
  • Audio
  • Games

Ziele

  • Reflexion
  • Exploration
  • Artikulation

Varianten, Erweiterungen, Modulationen

Als Varianten zum dargestellten Festival kommen pure Machinima-Workshops in Frage, welche sich vorrangig auf das Erzählen von Geschichten mittels Computerspiel beschränken. Dabei kann sich dennoch an den bereits dargestellten Abläufen orientiert werden, wobei, besonders bei kurzen Projektzeiträumen, die Prioritäten zwischen erzählerischen Möglichkeiten und technischen Herausforderungen abgewogen werden müssen. In einem Vier-Stunden-Workshop ist es eher die Methode an sich, die in Ansätzen vermittelt werden kann. Dementsprechend haben wir hier vor allem mit Multiplikatorinnen und Multiplikatoren und Spielen aus der dargestellten ersten Kategorie der Machinimas gearbeitet. Das heißt ausgehend von einem Kurzinput zum Thema, konnten erste Schritte und kleine Szenen im Spiel erstellt und veröffentlicht werden. Über eine Arbeitsprobe geht diese Art des Workshops jedoch selten hinaus. Hier soll vor allem das Interesse geweckt und die Möglichkeiten aufgezeigt werden.

Als Kontrast hierzu stehen inhaltlich orientierte und zeitlich offenere Workshops (etwa Projektwochen), die sich mehr der eigentlichen Geschichte und/oder Reflektion des Mediums Computerspiel widmen. Dabei kommt als weitere Komponente die Möglichkeit des vernetzten und damit gemeinsamen Arbeitens an Produkten ins Spiel. Multiplayer-Spiele ermöglichen zum Beispiel mehrere Kameraperspektiven und es kann mit mehreren Protagonisten gleichzeitig agiert werden, was zum einen die gestalterischen Möglichkeiten erweitert und zum anderen das Arbeiten im Team forciert.

Tipps & Tricks

Das Spiel-Film-Festival im Speziellen und Machinima-Workshops im Allgemeinen bieten die Möglichkeit das Kulturgut Computerspiel in einem neuen Setting zu erleben. Ausgehend von einer Spielenden-Kultur und der Erstellung von ‚user generated content‘ bietet das Projekt die Möglichkeit für Gamer einen bewussten und neuen Zugang zu ihrem Medium zu schaffen, welcher eingebettet in die entsprechenden Kontexte neue Perspektiven auf das Medium und dessen Inhalte erlaubt. Für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren baut der Zugang über einen solchen Workshop Berührungsängste ab und ermöglicht es, das Medium aus einer handlungsorientierten Perspektive zu erleben.

Die intensivsten Momente entstehen, wenn sich auf ein Thema geeinigt wurde und gemeinsam im Team daran gearbeitet wird. Insbesondere die Möglichkeit, so gut wie jedes zeitgeschichtliche und aktuelle Thema bearbeiten zu können, schafft ungeahnte Erlebnis- und Arbeitsräume. Zudem können mehrere Teilnehmende mit demselben Spiel auch über dieselben Inhalte verfügen und können somit verschiede Szenen mit denselben Schauspielerinnen bzw. Schauspielern zeitgleich produzieren und miteinander abstimmen. Werden Netzwerkspiele eingesetzt, kann ähnlich einem „normalen“ Dreh mit mehreren Kameras, Perspektiven und Schauspielern gearbeitet werden, was eine intensive Vorbereitung und Disziplin beim Dreh erfordert, ganz wie beim „echten“ Filmen.

Schwierigkeiten

Die Schwierigkeiten beziehen sich meist auf zwei Komponenten: die Storyfindung und die Technik – und spannenderweise hängen oft beide kausal zusammen.

Gehen wir von zwei Wegen aus, eine Geschichte mittels Machinima umzusetzen: Während manche Teilnehmende bereits mit einer Idee zum Workshop anreisen, wollen sich die anderen von den Tools inspirieren lassen. Beides kollidiert zumeist mit den gegebenen Möglichkeiten. Mit einer festen Idee im Kopf scheitert man oft auf der Suche nach einem Spiel, das alle Wünsche in der Geschichtenumsetzung erfüllt, denn nicht jede geforderte Animation, nicht jede angedachte Location und nicht jede vorgestellte Requisite kann im Spiel vorhanden sein.

Auf der anderen Seite können die Vielfalt der Möglichkeiten, aber auch die erkennbaren Grenzen der Games und Tools schnell überfordern und aus der Ideenfindung wird ein „ich teste erst mal die Möglichkeiten“. Meist fehlt dann die Zeit, um eine adäquate Geschichte zu stricken. Neben den inhaltlichen Problemen sind es oft die eingesetzten Tools, die einen Workshop kippen lassen. Wenn etwa das Game während der 15. Aufnahme wieder abstürzt und nichts gespeichert ist, verliert auch der enthusiastischste Teilnehmende die Lust. Hier kommt es auf die intensive Vorbereitung an, welche oft vor Ort durch eine gehörige Portion Improvisationstalent ergänzt werden muss. Abschließend sollte auch immer ein Auge auf den verwendeten Content gerichtet sein. Während in Deutschland die Nutzung von Games innerhalb von Machinima-Projekten (derzeit) noch keine rechtlichen Diskussionen mit sich führte, wird der unreflektierte Einsatz von zum Beispiel GEMA-pflichtigen Musiktiteln oftmals schon kurz nach dem Hochladen bestraft.

Feedback

Trotz der geschilderten potentiellen Probleme, waren bisher alle Workshopteilnehmenden von den Möglichkeiten, die mit der Machinima-Erstellung einhergehen, begeistert. Vor allem kreative Lehrerinnen und Lehrer ließen sich nach den Workshops Linklisten und Installationstipps geben, um mit ihren Schülerinnen und Schülern ein Machinima-Projekt anzugehen.

Aber auch Jugendfilmgruppen nahmen Inspirationen mit sich, um zum Beispiel vor dem Filmen mit echten Drehorten und echten Schauspielern einen animierten Probedreh per Machinima umzusetzen. Besonders gelobt wurden die aufgezeigten unterschiedlichen Möglichkeiten der Machinima-Erstellung. Hier konnte jeder, ob Gamer, Nicht-Gamer oder auch erfahrene Videokünstler und -künstlerinnen den eigenen Interessen und Möglichkeiten entsprechend Erfahrungen sammeln und sich ausprobieren. Was den Teilnehmenden vor allem fehlte, war so gut wie immer Zeit. Immer dann, wenn die Tools sicher beherrscht wurden, sich die Geschichte aufgrund der erkannten Möglichkeiten veränderte und letztendlich deutlich formte, waren die Festivaltage oder die Workshopzeit zu Ende. Ein Produkt hatten letztendlich jedoch alle.

Um das Verhältnis aus dem Erlernen der Technik und dem Schreiben einer Geschichte auszugleichen, könnten und sollten in der Weiterentwicklung solcher Projekte vorbereitende Kurzinputs mit den involvierten Gruppen stattfinden. Hier sollten die Möglichkeiten und Grenzen der Spiele und Tools vorgestellt werden und darauf aufbauend, könnten auch die Geschichten im Vorfeld schon skizziert sein, so dass sich die reine Machinima-Erstellung (wie der reale Dreh und der Schnitt beim klassischen Videoprojekt) auf das Umsetzen des Drehbuchs konzentriert.


"Machinima in der Medienpädagogik"


Checkliste

  • an Gruppengröße orientierter Workshopraum
  • Zwei bis drei Tage
  • Fünf bis 16 Teilnehmerinnen und Teilnehmer
  • Projektdurchführende: Erfahrungen im Umgang mit Computer, PC-Programmen und ausgewählten Games sowie ‚Improvisationstalent‘
  • mindestens ein gamingfähiger Computer pro zwei Teilnehmenden (ideal sind vernetzte [LAN und Online] Einzelarbeitsplätze) folgende Software bzw. der Zugang zu folgenden Angeboten sollte bestehen
  • Textverarbeitungsprogramm
  • Bildbearbeitungsprogramm
  • (inGame) Videoaufnahme- und Bearbeitungsprogramm
  • Audiobearbeitungsprogramm
  • ausgewählte ‚machinimafreundliche‘ Games
  • freie Sound- und Musikbibliotheken
  • freie Bildbibliotheken optional
  • Storyboard-Vorlagen
  • Fotokamera
  • Videokamera
  • Scanner
  • Audioaufnahmegerät
  • Green/Blue-Sheet

Links & Material

http://lutzschmitt.com/pub/machinima
Link zur Diplomarbeit von Lutz Schmitt mit dem Thema: „Machinima – Medium und Technologie“
http://bit.ly/Machinima-Info
Link zu einer Kurzbeschreiben und weiteren Infos des Institut Spawnpoint rund um das Thema Machinima
http://bit.ly/Playlist_old
Machinima-Ergebnisse aus älteren Workshops
https://bit.ly/Playlist_SFF10
Machinima-Ergebnisse aus dem Spiel-Film-Festival 2010
http://bit.ly/Playlist_SFF11
Machinima-Ergebnisse aus dem Spiel-Film-Festival 2011


About

Gerrit Neundorf
Institut für Computerspiel – Spawnpoint
neundorf@ics-spawnpoint.de
www.ics-spawnpoint.de

Das Institut für Computerspiel – Spawnpoint setzt sich in emanzipatorischer Tradition der Medienpädagogik ganzheitlich mit dem Medium Computerspiel auseinander. Ziel ist es, Menschen zu einem reflektierten Umgang mit Computerspielen anzuregen. Das Computerspiel erfährt durch das Institut Legitimation als wichtiger Freizeitfaktor, als Kommunikationsund Interaktionsmittel, als Kultur- und Sportbereich sowie als methodisches Mittel.
Insbesondere steht der Kontakt zur Spieler-Community im Fokus der Arbeit des Instituts.

Gerrit Neundorf studierte in Leipzig und in Darmstadt Sozialpädagogik, wo er durch Prof. Dr. Franz Josef Röll mit Medienpädagogik infiziert wurde. Seit 2007 ist er einer der Leiter des Instituts für Computerspiel – Spawnpoint. Für das Land Thüringen ist er seit 2011 als Jugendschutzsachverständige bei der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) tätig.

Gerrit Neundorf Kurzbio
studierte in Leipzig und in Darmstadt Sozialpädagogik, wo er u.a. durch Prof. Dr. Franz-Josef Röll von der Medienpädagogik infiziert wurde. Von 2002 bis Mai 2009 war er als Medienpädagoge beim Landesfilmdienst Thüringen e.V. angestellt und betreute dort mehrere landesweite Projekte. Seit 2007 ist er einer der Leiter von Spawnpoint - Instituts für Spiel- und Medienkultur e.V. Für das Land Thüringen ist er seit 2011 als Jugendschutzsachverständige bei der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) tätig.
Verfasst am 03.12.2012
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