Augmented Reality Game Design mit Jugendlichen

Augmented Reality Games in der Medienpädagogik

Seit vielen Jahren arbeite ich nun schon im Bereich des mobilen Spielens und Lernens, doch erst jetzt ist ein kleiner Traum wahr geworden: Endlich lassen sich auch narrative Spielideen in realer Umgebung gut umsetzen. Dabei hilft tripventure, eine mobile gaming Plattform, die die Technologie Augmented Reality mit den guten alten Point’n’Click Adventures zusammen bringt. So lassen sich in der realen Welt Spiele umsetzen, bei denen man an realen Orten virtuellen Figuren begegnen kann und durch Dialoge, Rätsel und überraschende Events dem Spielziel näher kommt. Die im August veröffentlichte kostenlose App (Android und iOS) hält (häufig kostenpflichtige) ortsbezogene Spiele bereit. Diese können mit dem „tripeditor“ browserbasiert selbst erstellt werden – kostenpflichtig für den Ersteller, wenn man das Spiel kostenlos anbieten möchte bis kostenlos, wenn man das Spiel kostenpflichtig anbietet und die Einnahmen mit dem Betreiber teilt.

Wie ein solcher Workshop in der Medienpädagogik aussehen kann, das beschreibe ich in diesem Beitrag.

Ablauf des fünftägigen Workshops

  • Kennen lernen, mobile Spiele spielen, Grundlagen Game-Design, Brainstorming
  • Storytelling, Szenen planen, Produktionsplanung
  • Produktion (Video, Foto, Texte)
  • Programmierung, Produktion
  • Programmierung, Testing

Augmented Reality Adventure mit tripventure

Das junge game-design Tool setzt neue Maßstäbe und bietet großartige Möglichkeiten des mobilen game designs. Erstmals ist es möglich, komplexe Narrationen auch outdoor umzusetzen, die auch Gamer-Ansprüchen gerecht werden. Durch die Orientierung an klassischen Point’n’Click Adventures wird an einem populären Genre angeknüpft und die Möglichkeiten und grundsätzliche Spiel-Konzeption werden schnell von Jugendlichen erfasst.

Zuerst einmal muss man feststellen, dass tripventure weder ein Storytelling-Tool noch aktuell besonders komfortabel ist. Das Tool steht ganz am Anfang, bietet einen sehr großen Funktionsumfang und hat noch einige Entwicklungen, insbesondere in Richtung Autoren-Tool, vor sich.

Im linken Bereich finden sich die Ressourcen – das sind alle Materialien, die zu erstellen sind. Das sind – selbst bei kleinen Projekten – nicht wenige. Es braucht für jede Dialogszene eine Videoszene ohne Bewegung, eine (Mund-)Bewegung, eine Abschiedsanimation/-bewegung, meist in Halbtotale. Dazu eine Totale für die AR-Szenen. Fotos für die Hintergründe, Detailkarten für die AR-Szenen, eine Gesamt-Karte – das alles natürlich funktional, also über die Software erstellt, so dass die Koordinaten stimmen, können dazu noch selbst im Stil angepasst werden.. Für die Karten braucht es Icons für die Szenen, dazu Inventar-Icons, Symbol-Icons für alle möglichen Funktionen (Batterie-Ladestände, GPS-Zeichen, Kompass-Funktionen etc.), ggf. Videos für die Zwischensequenzen.

Dann können Szenen angelegt werden – Dialog-, AR- und Videoszenen. Auch HTML-Szenen können angelegt werden und so tun sich eine Vielzahl an weiteren Möglichkeiten zur Gestaltung auf, Mini-Games zum Beispiel.
Rechts im Bild werden die einzelnen Szenen bearbeitet.

Wichtige Arbeitsmittel sind Actions, Conditions und Variablen. Ein Beispiel, um die Funktionsweise zu verdeutlichen – hier wird schnell sichtbar, wo die Parallelen zum Programmieren liegen: Beim Betreten des definierten Bereiches quer über die Brücke wird abgefragt, ob der Spieler schon das Einstiegsvideo gesehen hat – die Variable „ar01-intro_played“ ist „1“ (wurde beim Verlassen des Start-Videos so gesetzt). Wenn ja, löst die zweite Spielszene aus, wenn nein hat der Spieler vermutlich das Spiel schon auf der anderen Brückenseite gestartet und wäre hier verwirrt, wenn er schon mitten im Spiel wäre. Über solche Variablen wird ständig gearbeitet, im Laufe des Spiels kann das natürlich sehr viel komplexer werden, beliebig viele Abhängigkeiten existieren, Inventar-Abfragen uvm. – damit lassen sich sehr mächtige Spiele gestalten, man muss sich aber auch entsprechend in die Logik eindenken.

Sind dann alle Szenen und Abhängigkeiten angelegt, alle Mediencontainer mit Video-, Foto- und Bildmaterial befüllt, kann es losgehen. Der erste Test. Sehr praktisch ist dafür der lokale Simulator, der alle Funktionen des Smartphones simuliert (bis auf die Kamera der realen Umgebung, deswegen der graue Hintergrund im Screen, normalerweise würde die Dame in realer Videobild-Umgebung da stehen). So kann die ganze Story getestet werden – noch mehr Spaß macht es aber natürlich, die Story auf das Smartphone oder Tablet zu exportieren und draussen zu spielen.

Die vollständige Funktionsweise von tripventure zu erklären, würde diesen Rahmen sprengen, als ersten Einblick in Mächtigkeit und Komplexität des Tools und des Prozesses zu einem AR-Adventure Game sollte dies aber genügen.

Fazit

Die Hoffnungen auf ein Tool, mit dem sich schöne Geschichten in realer Umgebung erzählen und somit Bildungsinhalte transportieren lassen, haben sich bewahrheitet.

Ob das Tool geeignet ist, in aktiver Medienarbeit mit hohem Partizipationsgrad der Jugendlichen in recht knapper Zeit ein Spiel zu gestalten, konnte geklärt werden. Sowohl die Jugendlichen als auch das Team waren höchst zufrieden. Auch die Entwickler waren begeistert, in welch kurzer Zeit ihr Tool verstanden und kompetent angewandt wurde – einmal sogar so kreativ gehackt wurde, das eine Funktion komplett umgewidmet wurde.

Dennoch muss betont werden, das wir tolle Start-Voraussetzungen hatten. Im Team liegen viele Jahre (mobilen) game-designs vor, wir hatten sehr medienerfahrene Jugendliche (mehrere Gewinner des Deutschen Multimediapreis MB21 z.B.) an Bord, gute Förderung durch „AMD Changing the game“ und durch das „Create your world“-Festival eine äusserst anregende und toll ausgestattete Umgebung, in der wir produzieren durften. Wo es mit dem Tool im Bildungseinsatz hingehen wird, ist offen. Dies war ein Pilot, um überhaupt zu erproben, ob sich das Tool in der aktiven Medienarbeit einsetzen lässt. Nachdem dies ganz eindeutig gegeben ist, folgen weitere Überlegungen, klares Interesse seitens der entwickelnden Agentur sprylab ist gegeben.

Sicher ist, das eine neue Generation mobiler Spiele begonnen hat – und eine spannende Zeit liegt vor uns.

Dies ist ein Gastbeitrag von Daniel Seitz. Der Autor lebt in Berlin, hat Mediale Pfade gegründet und brennt für eine freie, politisierte Gesellschaft, die ihre Verantwortung wahrnimmt. Als Medienpädagoge ist er überzeugt, dass Medienbildung einen wichtigen gesellschaftlichen Anteil zu politischer Teilhabe, Selbstentfaltung und Kreativität leisten kann. Mit seiner Agentur für Medienbildung fokussiert er auf die Themenfelder mobiles Lernen, ePartizipation, Games und Medienkunst. Er engagiert sich bei der GMK -Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur im
Bundesvorstand, ist Mitglied im JFF e.V. und in den Fokusgruppen zu „youthpart“ und „peer hoch 3“ im Rahmen des Dialog Internet des BMFSFJ.

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons-Lizenz (CC BY-SA).

Verfasst am 16.10.2012
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