It‘s the economy, stupid! – Materialien für die Verbraucherbildung zum Thema Social Web
Online-Werbung und Geschäftsmodelle im Social Web sind bislang bei der Medienkompetenzförderung in Jugendarbeit und in Schule eher ein Randthema. Das neue Materialset „Online-Werbung mit Jugendlichen zum Thema machen“ bietet konkrete Methoden und Hintergrundinformationen um diese Situation zu verändern. Dies erscheint angesichts neuer Studienergebnisse auch dringend notwendig.
Lückenhaftes Wissen und Überforderung von Jugendlichen
So zeigen eine Reihe von Befunden der JFF-Studie „Jugendliche und Online-Werbung im Social Web“ die Notwendigkeit, dass Medienpädagogik das Thema Verbraucherbildung stärker aufgreift:
- Jugendliche nehmen nicht alle Werbeformen im Social Web als Werbung wahr.
- Sie kritisieren Online-Werbung auf vielfältige Weise und fühlen sich mitunter in ihrem Medienhandeln beeinträchtigt. Dennoch nehmen sie die Werbeformen meist als gegeben hin.
- Die jungen Nutzerinnen und Nutzer erkennen zwar Gestaltungsmittel von Werbung. Von Auswertungsverfahren für personalisierte Werbung haben sie aber keine realistische Vorstellung.
- Sie wissen wenig bis gar nichts über die Geschäftsmodelle ihrer Lieblingsplattformen und über Marktmechanismen im Social Web.
Noch deutlicher wird die pädagogische Handlungsnotwendigkeit mit Blick auf die Ergebnisse zum Wissen Jugendlicher zu ihren Rechten im Social Web. So steht das Zitat einer Gymnasiastin beispielhaft dafür, dass für die Mädchen und Jungen schon die Grundidee des Verbraucherschutzes nicht präsent ist.
„Eigentlich hat man ja im Grunde Pech gehabt, weil wenn man die AGB nicht gelesen hat, da kann ja im Grunde alles stehen. Wenn das drin steht, dass die das machen dürfen, haben die auch das Recht. Da kann man eigentlich nichts dagegen machen“ (Gymnasiastin).
Vielmehr formulieren die befragten Jugendlichen, dass sie allein für ihren Schutz verantwortlich seien. Damit sind sie aber völlig überfordert. Zudem verhindert diese Vorstellung, dass sie sich für ein politisches Eingreifen in der Verbraucherpolitik engagieren.
Um diese Leerstelle zu füllen, wurden Materialien für die pädagogische Arbeit entwickelt und in der Praxis erprobt. Die Materialien „Online-Werbung mit Jugendlichen zum Thema machen“ bieten somit praxiserprobte Methoden, mit denen Werbeformen und Geschäftsmodelle im Social Web sowie Verbraucherrechte mit Jugendlichen bearbeitet werden können.
Materialien bieten Hilfestellung für die pädagogische Arbeit
In den Materialien wird die Grundlage für die Arbeit auch für pädagogische Fachkräfte gleich mitgeliefert. Denn – Hand auf’s Herz – wer kennt sich bei Verbraucherrechten überhaupt selbst genug aus? Deshalb sind in den Materialien kompakt Hintergrundinformationen aufbereitet und jeweils passende Methoden vorgeschlagen. Leitend waren bei der Entwicklung die Prinzipien:
- Die Erfahrungen von Jugendlichen mit Online-Werbung als Grundlage nutzen
- Austausch unter Jugendlichen anregen und mit Informationen unterstützen
- Handlungsfähigkeit von Jugendlichen stärken
In den Materialien werden insgesamt neun Methoden vorgeschlagen. Diese können unterschiedlich kombiniert werden. Zusätzlich stehen online unter www.verbraucherbildung.socialweb.bayern.de gratis Vorlagen, Arbeitsblätter und weitere Informationsmaterialien bereit. Das Spektrum der vorgeschlagenen Arbeitsweisen zeigen die Methoden Kartografie und Szenario Werbeagentur auf.
Vielfalt an Werbung im Social Web – Methodenbeispiel Kartografie
Mit dieser Methode erhalten Jugendliche einen Einblick in die Vielfalt der Werbungformen und unterschiedlichen Bewertungen innerhalb der Projektgruppe. Dafür erarbeiten sie in Kleingruppen ein Plakat. Auf diesem sollen sie ihre wichtigsten Social Web-Angebote und die Werbeformen in diesen Angeboten einzeichnen. Die Werbeformen sollten sie auch mit Bewertungen kommentieren. Die Plakate werden anschließend im Plenum von den einzelnen Gruppen vorgestellt und Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet. Mit dieser Methode werden unter anderem auch Fragen der Jugendlichen offen gelegt, die im weiteren Projektverlauf geklärt werden können.
„Think before you post“ reicht nicht mehr – Methodenbeispiel Szenario Werbeagentur
Bei dieser Methode erhalten die Jugendlichen Einblicke in die Möglichkeiten personalisierter Werbung. Darüber hinaus werden sie für den Umfang der Auswertung unterschiedlicher – auch nicht bewusst angegebener – persönlicher Informationen sensibilisiert.
Hierzu wird auf facebook gearbeitet. Die Teilnehmenden erhalten den Auftrag für eine freiwillige Person eine Werbeanzeige zu schalten. Sie sollen mit den Möglichkeiten von facebook die Zielgruppe einer Werbeanzeige so bestimmen, dass sie perfekt auf die Person zutrifft. Im gemeinsamen Austausch wird die über die entsprechenden Auswahloptionen auf der Plattform Zielgruppe der Werbeanzeige möglichst genau bestimmt. Hierzu können Kategorien wie Ort, Alter, Geschlecht, aber auch Beziehungsstatus, Interessen oder der Besitz von Mobilgeräten präzisiert werden. Anhand der zur Auswahl stehenden Kategorien kann dabei herausgearbeitet werden, dass einige Angaben nicht bewusst von den Nutzenden bei facebook angegeben wurden, sondern auf der Auswertung des Nutzungsverhaltens beruhen. Mit dieser Methode wird deutlich, dass man bewusst kaum mehr steuern kann, welche Informationen über die eigene Person verfügbar sind.
Hintergrundinformationen
Die Studie ‚Jugendliche und Online-Werbung im Social Web‘ und die Materialien ‚Online-Werbung mit Jugendlichen zum Thema machen‘ können kostenfrei online unter www.verbraucherbildung.socialweb.bayern.de heruntergeladen werden. Dort können auch gedruckte Exemplare gratis bestellt werden.
Die Materialien und die Studie sowie die Zusatzmaterialien wurden vom JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis entwickelt. Unterstützt wurde es dabei vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz.
Text: Niels Brüggen und Mareike Schemmerling