SpielendLernen mit Minecraft

Minecraft Gebäude auf hoch gelegener Plattform aus dem Workshop "Spielen Lernen".

Minecraft ist das meistverkaufte Computerspiel aller Zeiten. Und das ist wunderbar, denn es ist nicht nur ein klasse Spiel (wobei es viele Anteile von Sandkastenspielen oder Legobauen hat), sondern auch noch (medien)pädagogisch sehr spannend.

Bei Minecraft besteht die ganze Welt aus Blöcken, die man abbauen und als Baumaterial nutzen kann. Und das muss man auch, denn nach ein paar Spielminuten (im Survival Modus) wird es Nacht und es kommen Monster. Denen hat man anfangs nichts entgegen zu setzten. Daher ist gut beraten, wer sich am ersten „Tag“ eine schützende Höhle oder Häuschen gebaut hat. Und üblicherweise findet man diese Behausung schnell zu klein/unpraktisch/hässlich/nicht repräsentativ. Und so fangen die meisten Spieler ganz automatisch an sich Gedanken zum Thema Gestaltung und Architektur zu machen.

Das lässt sich auch für die Schule nutzen, um lehrplankonform (!) in der 7. Klasse Gymnasium in Kunst das Thema Architektur zu behandeln. Hier beschreiben wir, wie ein solcher Workshop aufgebaut sein kann.

Ein mit Camera Studio erstelltes Zeitraffer Video aus einem der Workshops

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Gemeinsam arbeiten?

Die Aufgabe war in vier Gruppen à sieben SchlülerInnen (zwei pro PC) jeweils eine „Wohngemeinschaft“ zu planen und zu bauen. Dabei mussten sich die Schüler erst das Programm erlernen und sich dann selbst organisieren und überlegen was und vor allem wie sie gemeinsam die begrenzte Zeit (Bauphase 10:15 – 13:00) nutzen. Dabei ergaben sich sehr unterschiedliche Herangehensweisen. Eine Gruppe nutze einen recht großen Teil der Zeit um ihr Gebiet mittels einer Mauer in vier Teile aufzuteilen. Dort arbeitete jeder dann an seinem Haus (Bild). Die meisten Gruppen bauten aber gemeinsame Strukturen mit Gemeinschafts und Privaträumen.

Am Ende des Workshops wurden die Bauprojekte innerhalb einer Stunde präsentiert und von den anderen Schülern und den Workshopleitern kritisch hinterfragt. Die Gebäude wurden auf Funktionalität, Komfort und Ästhetik geprüft und die vielfältigen gruppendynamischen Prozesse reflektiert. Ein wichtiger Aspekt waren hier Konflikte innerhalb und zwischen den Gruppen. So ist es theoretisch leicht möglich, andere empfindlich beim Bauen zu stören. Muss man so ein Verhalten sanktionieren und wenn ja wie? Zur Lösung solcher Frage hatten die Schüler noch vor der Arbeit mit dem eigentlichen Programm einen Verhaltenskodex erarbeitet. Hier gaben sich die meisten Gruppen folgende Regeln:

  1. Man darf nur im Bereich der eigenen Gruppe bauen, aber in die Bereiche der anderen Gruppen diesen beim Bauen zusehen.
  2. Man darf nichts von Anderen kaputt machen (außer es ist abgesprochen).
  3. Strafen werden durch die Gruppe bzw. die Klasse mit Mehrheitsbeschluss gefällt.

Zwar kam es bei einem Teil der Workshops zu Zwischenfällen, doch die härteste wirklich verhängte Sanktion war, dass die Störenfriede den Schaden (sie hatten einen Bereich unter Wasser gesetzt) wieder berichtigen mussten.

Der Bauplatz

Eine Eigenschaft von Minecraft ist, dass jede Spielwelt unterschiedlich aussieht und praktisch unendlich groß ist. Im Vorfeld der Workshops hatten wir überlegt, wie wir den Schülern in der gegebenen kurzen Zeit möglichst viel kreative Freiheit ermöglichen ohne dass sie sich gegenseitig zu lange mit einer Bauplatzsuche aufhalten. Daher haben wir eine Welt vorgegeben, bei der wir pro Gruppe jeweils einen Bereich (weiß, rot, blau, grün) markiert haben. Im Zeitraffervideo kann man (ab 1:22) die gelben Markierungen gut erkennen.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Bei den Markierungen handelt es sich nicht um technisch vorgegebene Grenzen. An sich hindert nichts die Gruppen daran ihren Bereich zu verlassen und woanders zu bauen. In diesem Fall wollte die Gruppe Weiß nicht in ihrem flachen Bereich bauen, sondern sie errichteten ihren Bergkomplex nach Absprache mit den anderen Gruppen etwas außerhalb ihres eigentlichen Quadranten. Die Welt kann man hier herunterladen.

Traumhäuser?

In den Bildergalerien kann man den Baufortschritt der jeweiligen Tage in Übersichtsbildern nachvollziehen. Dazu kommen Detailaufnahmen, die einzelne Gebäude oder Räume zeigen. Dabei haben die SchülerInnen die eigentümliche Physik des Spiels ausgereizt und wirklich ungewöhnliche Gebäude gebaut. Mit Hilfe der herunterladbaren Serverdateien (siehe hier und hier) kann man diese sogar selbst begehen oder modifizieren.

Einige der vielen Highlights sind:

  • Ein Gebäude sieht von oben wie eine Blume mit Blütenblättern (Privaträume), Stengel (Gang), und Blättern (Toilette und Küche) aus.
  • Eine Gruppe baute eine „Atlantis“ getauftes, verglastes Unterwassergegebäude.
  • Ein Haus hat eine Sprenkleranlage, die Brände löscht, eine andere eine funktionierende Dusche, bei der man das Wasser an und ausstellen kann.
  • Ein Gebäude ist eine Halle aus Gold mit einem Glasdach mit Schwimmbad, dessen Wasser von Lavafontänen erwärmt wird.
  • Gebäude auf hoch gelegenen Plattformen (1, 2), die teilweise über Aufzüge erreichbar sind.

Galerien der Projekte
Weitere Informationen finden sich in den Bildbeschreibungen:

Unterstützung für Pädagogen

Beim Workshop als hilfreich hat sich die Nutzung der Minecraft Modifikation MinecraftEdu erwiesen. Diese erleichtert den Einsatz in pädagogischen Settings:

  1. Der Server ist sehr einfach zu installieren und mittels übersichtlicher Menüs im Spiel einzustellen.
  2. Es gibt die mächtige „Lehrer“ Rolle, die den „Schüler“ je nach deren Erfordernissen mehr oder weniger Rechte zugestehen kann (z.B. Schüler dürfen bauen, sich bewegen, fliegen oder eben auch nicht).
  3. Die sehr aktive MinecraftEdu Community diskutiert technische und pädagogische Themen und teilt untereinander Spielwelten. So bietet die gigantische World of Humanities historische Gebäude und Personen für Geschichte und Sozialkunde. Auch gibt es Welten die für den Einsatz in Erdkunde (z.B. Thema Höhenlinien) oder Mathe (z.B. Thema logische Schaltungen) gedacht sind. Eine Übersicht zu solchen Beispielwelten findet sich hier.

Ein Zeitraffervideo des Tutorial Levels von MinecraftEdu, das bei einem der Workshops entstand:

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Wir hatten auch den Einsatz der kostenlosen Minecraft Variante „Minetest“ erwogen. Diese sieht zwar sehr ähnlich aus, ist aber in einem recht frühen Stadium und bietet nicht alle kreativen Möglichkeiten des Originals. Ausserdem hatten wir genügend Mittel für die MinecraftEdu Lizenzen (in unserem Falle ca. 160 Euro). Aber auch Minetest hat sich in pädagogischen Settings bewährt. So beschreibt Uwe Klemm in seinem Blog eine Projektwoche, in der er mit Schülern das Schulgebäude nachgebaut hat.

Viele andere Möglichkeiten Minecraft einzusetzen werden noch bis 8.3. im Online Kurs: „Spielend Lernen mit Minecraft“ (zufälligerweise auch genau der Titel des hier beschriebenen Workshops) erarbeitet. Hier finden sich auch viele Links auf andere Projekte. So zum Beispiel dem Konzept „Build Something! Montagsmaler @ Minecraft“ des Intitut Spawnpoint und  dem Projekt „Legominers“ des der Spieleratgeber NRW, die Minecraft und Lego für den Einsatz auf der gamescom 2011 zusammengebracht haben. Spannend ist auch der Einsatz von längerfristig bestehenden Minecraft Welten z.B. in Jugendzentren.

Fazit

Aus Sicht der Pädagogen hat sich sich der Einsatz von Minecraft zur Behandlung des Themas Architektur sehr bewährt. Viele Aspekte wie Funktionalität und Ästhetik wurden spielerisch aufgegriffen und bearbeitet. Zudem mussten sich die SchülerInnen sich selbst organisieren und in Gruppen zusammenarbeiten was nicht immer konfliktfrei blieb, aber gerade dadurch für alle Seiten lehrreich war. Die Nutzung von MinecraftEdu hat den technischen Aufwand für die Dozenten reduziert.
Das Feedback der SchülerInnen beiderlei Geschlechts war sehr positiv. Pausen mussten erzwungen werden, da viele weiterarbeiten wollten. In allen Klassen gab es schon Minecraft-Experten, die wir auf die einzelnen Gruppen aufteilten, was den Minecraft-Neulingen den Einstieg erleichterte.

Es gibt auch eine Variante von Minecraft für Tablets und Smartphones (Minecraft Pocket Edition) die etwas anders funktioniert. Mit dieser haben wir ebenfalls Workshops durchgeführt, die wir demnächst mit einem weiteren ausführlichen Artikel beschreiben wollen. Einen Ausblick gibt es schon mal hier. Bei diesen Workshops war auch eine Architektin dabei. Sie konnte die Gebäude der Teilnehmer fachlich einordnen und einen Bezug zur realen Architektur erstellen, was die Reflexionsphase des Workshop noch weiter aufgewertet hat.

Danke an die Schüler und Lehrer des Lion Feuchtwanger Gymnasiums, Marike Schlattmann von Lernwelten – meine Co-Dozentin, das Medienzentrum München des JFF für Räume, Technik und Lizenzen, das Evangelische Bildungswerk ebenfalls für Technik und die Kooperationsprojekte „Neue Medien und Internet“ des Stadtjugendamts München für die Finanzierung und die Flexibilität beim Termin. Der Workshop an der Mittelschule Situlistraße wurde von der Stadtbibliothek München organisiert und von der Castringius Stiftung unterstützt

Habt Ihr Ideen oder Fragen wie man Minecraft im Unterricht oder anderen pädagogischen Settings einsetzen kann? Wir freuen uns auf Anregungen und Kommentare!

Das Projekt wird auf der re:publica 2014 7.5.2014 13:45-14:00 präsentiert. Anlässlich zur Session konnte man MinecraftEdu auch kostenlos ausprobieren. Mehr Infos: http://tausend-medien.de/2014/minecraft-session-auf-der-republica/

Update: Im Rahmen der re:publica ist auch ein Interview entstanden, in der das Projekt als Beispiel beschrieben wird.

 

Ulrich Tausend Kurzbio
Der Soziologe Ulrich Tausend erstellt seit dem Verkauf seiner Onlinespiele Firma Neodelight.com im Jahr 2008 Lernspiele und konzipiert medienpädagogische Projekte. Er ist medienpädagogischer Referent am JFF - Institut für Medienpädagogik. Außerdem unterrichtet er an der Mediadesign Hochschule im Bereich Gamedesign. Er engagiert sich in den Initiativen Creative Gaming und gameLabor.
Verfasst am 03.03.2014
Kommentare deaktiviert für SpielendLernen mit Minecraft

Zusatzinfos

Pat-O-Meter

Monats-Archiv