Stadtwikis im (außer)schulischen Einsatz
Ein Stadtwiki lebt von der Vielzahl und Vielfalt der Beiträge. Dazu ist es in der Regel sinnvoll, mit mehreren Gruppen und/oder über eine längere Zeit Beiträge zu produzieren. Damit die Wiki-Artikel unterschiedlicher Autorinnen und Autoren vergleichbar sind, sollten Kriterien festgelegt werden. Dazu gehören allgemeine Standards wie Aktualität und Zuverlässigkeit und im kollaborativen Arbeiten Regeln der Wikiquette wie Sachlichkeit und Freundlichkeit.
Im Mediawiki können alle Beteiligten mit einem individuellen Zugang Artikel produzieren, ändern oder kommentieren. Die Schreibberechtigung kann unterschiedlich – offen oder teiloffen – geregelt werden. Wenn Schülerinnen und Schüler im Rahmen einer AG parallel über längere Zeit (wie ein Schuljahr) als Autorinnen und Autoren des Stadtwikis arbeiten, erlaubt diese Konstellation einen nachhaltigen Lernprozess.
Bei bildungsbenachteiligten Teilnehmenden erfordern Grundbegriffe des Web 2.0 eine ausführliche Erläuterung. Es gibt durchaus Schülerinnen und Schüler, denen der Nutzwert von Wikipedia unbekannt ist, geschweige denn die kollaborative Entstehungsweise der Inhalte. Je nach Größe der Gruppe und den vorhergehenden Lernerfahrungen ist es sinnvoll, dass die medienpädagogische Kraft zeitweise oder grundsätzlich personelle Unterstützung erfährt – gerade bei vielen in Kleingruppen zu lösenden Aufgaben und bei Exkursionen. Mit Hilfe von Pinnwand und Moderationskarten werden der Gruppe die Besonderheiten des kollaborativen Arbeitens mit einem Wiki vermittelt. Die darauf folgende Einführung in verschiedene Medienproduktionsarten (Video, Audio, Foto) soll für die teilnehmende Gruppe auch motivierenden Charakter haben. In diesem Fall entwickeln die Schülerinnen und Schüler anschließend schnell eine ganze Reihe von Ideen, welche Orte und Menschen in ihrer Heimatstadt sie für ihr Wiki darstellen wollen.
Ein Mediawiki erlaubt es, unterschiedliche Medien einzubinden. Je nach Einsatz der Elemente Text, Foto, Video, Audio können produzierte Artikel unterschiedlich umfangreich sein. Im Stadtwiki werden etwa Menschen, Gebäude, Institutionen, Stadtviertel, Organisationen dargestellt. Teil der Vorbereitung auf die Produktionsphase ist die Diskussion, welche mediale Form dem Gegenstand angemessen ist. Oft ist ein grundlegender Sachtext unverzichtbar – auch wenn das Texten zu den unbeliebteren Tätigkeiten gehören mag (Copy und Paste ist natürlich verpönt). Der Reiz des Mediawiki besteht aber gerade darin, Videoelemente (Reportagen, Berichte, Interviews), Audiodateien und Fotos einzubinden.
Audiovisuelle Produkte eignen sich gut für eine Mehrfachverwendung, können über Bürgermedien publiziert oder öffentlich präsentiert werden. Der Nebeneffekt ist, wie bei einer klassischen Videopremiere, die Resonanz eines körperlich anwesenden Publikums. Insofern kann ein Wikiprojekt wie etwa ein Filmprojekt einen Abschluss bekommen, bei dem die Mitwirkenden angemessen belobigt werden. Je nach Inhalt eignet sich das Wikiprojekt auch, der lokalen Öffentlichkeit vorgestellt zu werden. Berichterstattung in den lokalen Medien ist eine zusätzliche Form der Rückmeldung für die am Projekt Beteiligten. Ist die Projektlaufzeit zu Ende, muss das Wiki deshalb nicht aus dem Netz verschwinden. Vielleicht finden sich andere Interessierte, die neue Beiträge einstellen wollen. Auch nach Ablauf des eigenen Projekts erfordert das Stadtwiki noch ein Minimum an Pflege – Verwaltung der Zugänge, Anti-Spam-Service.
Zielgruppe
- Kinder
- Jugendliche
Eingesetzte Medien
- Foto
- Video
- Audio
- Web
- Mobile
Ziele
- Exploration
Varianten, Erweiterungen, Modulationen
Die Anwendungsfälle, in denen ein Wiki zum Einsatz kommt, sind sehr vielfältig. Manchmal dient es zur Dokumentation eines Projekts und wird ähnlich einer Projekt- Homepage als Projektplattform genutzt. Im schulischen Kontext kann ein Wiki als Wissensplattform für verschiedenste Unterrichtsfächer verwendet werden. Außerschulisch ist es eine Möglichkeit, Partizipationsprojekte wie einen Kinderstadtplan zu repräsentieren. Auch zur kollaborativen Erstellung von gegliederten Texten sind Wikis nützlich. Die Wikiarbeit in den drei durchgeführten Projekten fokussierte in einigen Schulen auf das Thema Berufsorientierung (Berufs- und Betriebsporträts, Praktikumsberichte). Außerdem entstanden ‚Sonderprojekte‘ wie ein Audio-Guide durch die Ludwigshafener Innenstadt, den man sich in der Tourist- Information der Stadt entleihen oder von ludwikishafen.de downloaden kann.
Tipps & Tricks
„Sehr interessant war, wie wenig die Teilnehmer/ innen über ihren Wohnort und die nähere Umgebung wussten. Der Lernzuwachs war hier beispielsweise durch Museumsbesuche und geschichtliche Einblicke, Blicke hinter die Kulissen bei der Polizei, dem Bürgermeister, der Stadtbibliothek oder der Feuerwehr bei allen Jugendlichen vorhanden. Aus Sicht der Schule sind insbesondere die fachlichen, persönlichen und sozialen Kompetenzzuwächse interessant. Hierzu zählen sowohl der Erwerb von Grundlagen der Recherchearbeit, von sprachlichen, schriftlichen und kommunikativen Kompetenzen, von Teamfähigkeit als auch die Steigerung von Selbstbewusstsein, von Selbst- und Fremdwahrnehmung und des eigenen Auftretens gegenüber anderen Menschen.
Aber auch im Bereich Medienkompetenz haben die Schüler/innen neues Wissen erworben. Insbesondere im kritischen und kreativen Umgang mit Medien, mit Urheber- und Persönlichkeitsrechten. Insgesamt war das Stadtwikiprojekt rundum gelungen und eine Bereicherung des schulischen Angebots aber auch der Online-Präsenz von Schule und Gemeinde.“ (Julia Lucas, begleitende Lehrerin bei Gerpedia)
Schwierigkeiten
Die Lerneffekte sind mit benachteiligten und/oder schwer zu motivierenden Jugendlichen nur kleinschrittig erreichbar. Die von außen gering erscheinende Zahl von 30 Wikibeiträgen in knapp anderthalb Jahren ist aus der Innensicht beachtlich. Die Qualität der Beiträge ist unterschiedlich; oft fiel es den Teilnehmenden schwer, Information für das imaginäre Publikum aufzubereiten. Von der ganzen Medienvielfalt im Projekt war das Medium Text das unbeliebteste, wohl auch weil ein Großteil der Gruppenmitglieder aus Einwanderungsfamilien stammte und vor allem mit Schriftdeutsch Probleme hatte. Mit Zusatzfunktionen der Mediawiki-Installationen gab es zu Beginn kleinere Schwierigkeiten, die (etwa bei der Videoeinbindung) etwas Geduld erforderten. Wikisysteme erfordern kontinuierliche Pflege; ab und zu gibt es Probleme mit Spam oder unerwünschten Beiträgen. Die drei Wikis bleiben zwar auch nach dem Auslaufen der Projektförderung im Netz, es gibt aber nur relativ wenige Projekte, die damit arbeiten.
Feedback
„Ein Freund von mir, der war von Anfang an dabei, der hat geschwärmt von der AG, dass die so gut wäre – und das ist sie ja auch!“ „Es ist interessant, mit verschiedenen Medien zu arbeiten; denn wir recherchieren ja nicht nur im Internet. Wir haben auch Leute interviewt und Sachen ins Internet gestellt, und das ist ziemlich interessant.“ „Ich habe ziemlich viel gelernt, also über die Schule, aber auch über die Stadt.“ „Ich habe gelernt, dass die Walzmühle (= Einkaufszentrum) mal eine Mühle war, und dass einem beim Kinderschutzbund geholfen wird, wenn man Probleme hat.“ „Ich finde es interessant, etwas über die Vergangenheit zu erfahren, und was wir recherchieren, behält man im Kopf und vergisst es nicht so schnell.“ (Schüleraussagen aus dem Projektvideo Ludwikishafen, medien+bildung.com)
Checkliste
- Zeit: Workshop-Reihe (etwa schulische Medien-AG), einzelne Einheiten sollten nicht kürzer als eine Doppelstunde sein
- Gruppengröße: Je nach Betreuung von fünf bis 20
- nötige Vorkenntnisse und Anforderungen
- an die Projektdurchführenden: Erfahrung in der Verwaltung eines Wikis
- Hard- und Software: Vorinstalliertes Wiki (aus dem Internet), Internetzugang (in der Schule: Vorher ggf. Sperren abtesten), PCs oder Laptops, je nach eingesetzten Medien (Video, Foto, Audio) die dazugehörigen Produktionswerkzeuge, alternativ Smartphones oder Tablet-PCs
- Informationen über potentielle Themen
- für Wikibeiträge – digital und gedruckt
- Stadtpläne
Links & Material
Die Broschüre Wiki, Stadt und Schule – Schüler recherchieren, gestalten und publizieren ihr Wissen erläutert die technischen Grundlagen, bietet ein Unterrichtskonzept für ein Schulhalbjahr auf der Basis der Projekterfahrungen und stellt den interessierten Lehrkräften eine Auswahl erprobter Methoden zur Verfügung. Erschienen Mai 2012; erhältlich über www.medienundbildung.com
Links:
medienundbildung.com/wikis-blogs-co
www.mediawiki.org
www.wikimedia.de
About
Hans-Uwe Daumann
Institution medien+bildung.com gGmbH
E-Mail daumann@medienundbildung.com
Homepage www.medienundbildung.com
ist spezialisiert auf Praxisprojekte für Radio, Fernsehen und Multimedia. Unsere Angebote richten sich an Menschen jeden Alters: Kinder, Schüler, Jugendliche, Studierende und Erwachsene. Unsere Partner sind v. a. Bildungs-, Jugend- und Kultureinrichtungen in Rheinland-Pfalz.
Hans-Uwe Daumann ist stellvertretender Geschäftsführer von medien+bildung.com und dort für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich. Von 2009 bis 2011 hat er die verschiedenen ‚Mikroprojekte‘ von medien+bildung. com in rheinland-pfälzischen Städten koordiniert, zu denen die Wikiprojekte www.ludwikishafen.de, www.speyerpedia. de und www.gerpedia.de gehörten. Vorher hat er bei der Landesmedienanstalt LMK u. A. den Offenen Kanal Ludwigshafen geleitet und Mediengestalter ausgebildet.