Werbung und Lobbyarbeit in Kindergarten und Schule: Von Müslitagen und kostenfreien Arbeitsblättern

CC 0 - Ob diese Art von Werbung schon Schulpraxis ist?

Werbung ist ein traditionelles Feld der Medienpädagogik: Wie kommen eigentlich Lobbyverbände und Unternehmen in den Kindergarten und die Schule? – Es bieten sich ganz unterschiedliche Möglichkeiten ….

Zunächst einmal sind kostenlose Bastelmaterialien, Arbeitsblätter und Unterrichtsunterlagen ein Weg, in die Hand der Kinder zu gelangen. Da gibt es beim Arzt Ausmalbilder aus der Pharmazie, oder auch ganze Magazine für den Schulunterricht – z.B. in Österreich das kostenlos zugängliche Magazin der „Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Schule” (AWS) vom Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) (Initiative der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und des Österreichischen Sparkassenverbandes).

Mehrere Agenturen haben sich zudem auf die Durchführung von Marketingmaßnahmen in Schulen und Kindergärten spezialisiert. So bewirbt beispielsweise die österreichische Agentur Young Enterprises Media GmbH u.a. „Sonderwerbeformen in Volksschulen“ und insbesondere die Werbung mit Hilfe von kostenlosen gedruckten Mitteilungsheften für 10- bis 14jährige Hauptschüler/innen (siehe http://www.youngenterprises.at/medium/mitteilungsheft-10-14/, http://www.youngenterprises.at/medium/jugendpromotion-6-10/, 2017-07-18).

Auch Plakate in Schulen werden angepriesen, auch um das Schulbudget zu verbessern: „Die Themen der Plakate sind informativ, haben meist großen Schulbezug und umfassen die Bereiche Bildung, Berufsinformation, Aufklärung des öffentlichen Sektors und Kultur. Die Schulen können so ihr Schulbudget ohne großen Aufwand aufbessern und in Wunschprojekte und Infrastruktur investieren.“ (vgl. siehe http://www.youngenterprises.at/news/das-schulplakat-ein-medium-mit-doppeltem-nutzen/ (2017-07-18)

Auch deutsche Schulbuchverlage unterstützen die Bedürfnisse der Lobbyistinnen und Lobbyisten. So bietet sich die deutsche Klett MINT GmbH, ein Unternehmen der Stuttgarter Klett Gruppe, auf ihrer Homepage mit folgenden Leistungen an:

„Das Image der MINT-Fächer in der Öffentlichkeit, in Elternhaus, Schule und Hochschule, aber auch deren Quantität und Qualität, muss deutlich verbessert werden. Die Klett MINT GmbH greift diese Themen dienstleistungsorientiert auf und hilft Industrie und Wirtschaft, ihre Kommunikationswünsche in den Schulen, bei Lehrern, Eltern und Schülern oder bereits in der frühkindlichen Bildung zu platzieren. Erreicht wird dieses beispielsweise durch hochauflagige Medien zur Berufsorientierung, durch die Veranstaltung von Kongressen oder anderen gemeinsamen Projekten oder durch Entwicklung und Vertrieb von Lehrmitteln zur Steigerung der Technikfaszination.” (siehe https://bildungsklick.de/anbieter/klett-mint-gmbh/, 2017-03-20). Unter anderem ist Klett MINT Partner beim Angebot Genius-Community.com mit Bildungsmaterialien der Daimler AG.

Auch die Agentur YAEZ hat sich darauf spezialisiert, Unternehmen und andere Organisationen dabei zu unterstützen didaktische Angebote im Schulbereich umzusetzen. Zum Portfolio gehören u.a. auch Schüler-Wettbewerbe, Magazine für Schüler/innen, Videos usw. (s. https://www.yaez.com/leistungen/bildungskommunikation/, 2018-01-12)

Die Agentur Full Moon Kids schreibt sich zudem auch das Kindergartenmarketing auf die Fahnen. Obwohl die Kinder noch nicht lesen können, werden sie als attraktive Zielgruppe beschrieben:

„Mit Hilfe von Mal- und Vorlesebüchern, sinnvoll eingebrachten Produktsamplings in Form von Spiele- und Bastelkisten oder der Hinführung zu gesunder Ernährung („Müslitag“) ermöglichen wir die erste Markenbindung an die unterstützenden Partner. Durch die Organisation und Betreuung von projektbezogenen Erlebnistagen erreichen wir die junge Zielgruppe überzeugend, ohne einen werblichen Eindruck zu hinterlassen.“ (http://www.fullmoon-kids.de/expertise/bildungskommunikation/kindergartenmarketing/, 2018-01-31, Fettdruck von der Autorin).

Von der IHK Darmstadt und dem DIHK (2014) gibt es auch umfangreiche Hilfestellungen, wie Unternehmen Lehrmaterialien in den Unterricht bekommen (s. https://www.bso-hessen.de/blob/da_beruf/produktmarken/informationen/3451828/fa82635bd687ed0ae370c779c606f96b/Lehrmaterialien-aus-der-Wirtschaft-data.pdf, 2018-01-13). So werden in der Veröffentlichung u.a. Beiträge zu folgenden Themen geboten:

– Was fördert die Akzeptanz von Lehrmaterialien aus der Wirtschaft?
– Unterrichtsmedien aus der Wirtschaft – was sollten Unternehmen beachten?
– Vom Lehrplan zum Unterricht
– Wirtschaft in der Schule? Über die Relevanz von Ethik an der Schnittstelle zwischen Schule und Wirtschaft

Aus diesen Gründen bewertet zum Beispiel die deutsche Verbraucherzentrale im „Materialkompass” kostenlose Materialien und gibt Lehrerinnen und Lehrern Hilfestellungen für die Auswahl und Nutzung im Unterricht. Eine Auswertung der Verteilung der Note für die bewerteten Unterrichtsmaterialien im Materialkompass zeigt deutliche Qualitätsunterschiede der Anbietergruppen: „Wie die Auswertung der im Materialkompass bewerteten Medien zeigt, zeichnen sich Materialien, die aus der Wirtschaft, wirtschaftsnahen Institutionen oder Verbänden kommen überproportional durch interessengeleitete oder einseitige Informationen aus. Daher ist hier erhöhte Vorsicht geboten. Über Materialien wird versucht, bestimmte Branchen in einem guten Licht darzustellen, Kritikpunkte zu verschweigen oder einfach Produktwerbung zu betreiben.“ (Bielke, 2014, in: http://www.bso-hessen.de/blob/da_beruf/produktmarken/informationen/ 3451828/fa82635bd687ed0ae370c779c606f96b/Lehrmaterialien-aus-der-Wirtschaft-data.pdf, S. 114).

Wie jede/r weiß: Es lohnt sich also, genau und kritisch hinzusehen.

Anmerkung: Dieser Beitrag nutzt Textfragmente und Materialien aus folgender Studie: Sandra Schön, Katharina Kreissl, Leonhard Dobusch und Martin Ebner (2017): Mögliche Wege zum Schulbuch als Open Educational Resources (OER). Eine Machbarkeitsstudie zu OER-Schulbüchern in Österreich. Band 7 der Reihe „InnovationLab Arbeitsberichte“, herausgegeben vom Forschungsbereich InnovationLab der Salzburg Research Forschungsgesellschaft mbH, gleichzeitig erschienen als Band 15 der Reihe „Beiträge zu offenen Bildungsressourcen“ (http://o3r.eu) Salzburg: Salzburg Research. URL: http://l3t.eu/oer/images/band15.pdf

 

Sandra Schön Kurzbio
ist Senior Researcher bei Salzburg Research (Abt. InnovationLab), leitet regelmäßige Praxisprojekte beim BIMS e.V., studierte Pädagogik, Psychologie und Informatik an der LMU München (M.A./Dr. phil.). Interessensschwerpunkte: Offene Bildungsressourcen (OER), Lernvideos, Videoarbeit, Maker Movement, Partizipation. Mehr im Weblog: http://sandra-schoen.de.
Verfasst am 20.02.2018
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