Erklärvideos mit BYOD produzieren
BYOD – „bring your own device“ – dieser Ansatz liegt derzeit für die Medienpädagogik verlockend nah, da viele Jugendliche umfangreiche Tool-Boxes in Form von Smartphones mit sich herumtragen, was für uns eine neue Herausforderung, aber auch Chance darstellt. Zudem dürfen wir uns auch inhaltlich permanent mit neuen Diensten und Angeboten auseinandersetzen, die ebenso rasch verschwinden, wie sie aufgetaucht sind. Warum also nicht diese Ausgangssituationen zusammenfassen und ein BYOD-Medienprojekt zu aktuell angesagten Tools und Apps durchführen? Dieses Experiment sind wir im SIN – Studio im Netz angegangen, um Handyclips produzieren zu lassen, die derzeitigen Trends im Handmade-Stil erläutern.
PREVIEW
Gestern war noch Facebook in, heute ist es WhatsApp, morgen vielleicht Tumblr oder Snapchat oder etwas ganz anderes. Um als pädagogisch Verantwortliche nicht den Überblick zu verlieren, empfiehlt es sich, intensiv zu surfen, zu lesen und zu experimentieren. Zudem können die Jugendlichen als Expertinnen und Experten ihrer Medienwelt fungieren und ihre medialen Favoriten erklären – eine Aufgabe, die zugleich eine reflexive Betrachtung der eigenen Mediennutzung anregt.
Unsere Idee war es daher, dass die beteiligten Schüler/innen kurze „Erklärvideos“ produzieren. Als Darstellungsform wählten wir den Look von Clips, die derzeit bei YouTube überaus populär sind: selbstgezeichneten (bzw. in gezeichneter Form animierte) Videos im Stil von „draw my life“, „Explainity“ oder „in plain english“. Derartige Clips sind mit ihrem ureigenen Charme nicht nur nett anzusehen, sondern lassen sich auch relativ simpel produzieren, beispielsweise mithilfe von Apps wie „explain everything“ oder (back to the roots) mit Schere, Stift und Papier.
Auch die Frage nach der verwendeten Technik lösten wir pragmatisch: Die Zeiten, in denen für ein Videoprojekt mit mehreren Schulklassen ein VW-Bus voller Technik angekarrt werden musste, sind glücklicherweise vorbei. Wer nach dem Prinzip „bring your own device“ arbeitet hat genügend Technik zur Verfügung, wobei das Wort „bring“ skurril erscheint, da sich die meisten Devices sowieso in den Taschen der Schülerinnen und Schüler befinden. Die Ausstattung mit Smartphones ist so weit fortgeschritten, dass sich in Kleingruppen à 3 bis 4 Personen mindestens ein Kamera-Handy findet.
Damit sind die Vorüberlegungen schon fast erklärt, die im Vorfeld der „jugend.medien.werkstatt“ angestellt wurden. Durchgeführt wurde das Projekt im Juli 2013 vom SIN – Studio im Netz am Gymnasium Markt Indersdorf. Geklärt werden mussten noch organisatorische Details vor Ort, beispielsweise die Freistellung der Klassen und die Reservierung diverser Räume, was jedoch immer mit einem Medienprojekt zusammenhängt. Ein Aspekt dieses Projektdesign kommt uns noch entgegen: Da die Jugendlichen nicht selbst vor die Kameras treten, sind keine Eltern-Einverständniserklärungen zum Recht am eigenen Bild erforderlich.
Die Aufgabenstellung an die Jugendlichen lautete schließlich:
„Stellt eure Lieblings-Tools und -Apps vor, beleuchtet die Faszination wie auch die Schattenseiten dieser Dienste, zeichnet ein paar Skizzen dazu – und präsentiert die Ergebnisse in Form von Handyclips.“
Im Laufe weniger Stunden entstanden daraufhin kleine, authentische Portraits im Handmade-Stil, die einen umfangreichen Überblick über angesagte Tools liefern: von A wie „Ask.fm“ über L wie „Let´s Play“ bis Y wie „YouTube“.
Alle Clips sind nun online zu sehen, die konkrete Vorgehensweise beim Projekttag wird im Folgenden beschrieben:
RECORD
Der Projekttag findet in Form eine Schultages statt, daher wird der Ablauf nach Schulstunden skizziert:
- 1: Die „jugend.medien.werkstatt“ beginnt mit einer gemeinsamen Begrüßung der teilnehmenden Schulklassen. Am Pilotprojekt sind fünf Schulklassen der 8. Jahrgangsstufe beteiligt, die auf zwei Projekttage aufgeteilt sind. In der ersten Stunde versammeln sich alle Beteiligten in der Aula und lauschen unseren Anweisungen, die denkbar einfach gehalten sind: Die Aufgabe besteht darin, populäre Medienangebote (Web, App, Games, whatever) in Form eines Handyclips vorzustellen. Die Visualisierung soll mit selbst gezeichneten Skizzen und Grafiken umgesetzt werden, die Audio-Untermalung besteht aus einem vorbereiteten Erklärungstexts, der eingesprochen wird.
Nun folgt die Themenfindung, die in Anlehnung an eine Barcamp-Sessionplanung umgesetzt wird: Die Schülerinnen und Schüler nennen spontan ihre Favoriten, welche auf einer Pinnwand gesammelt werden. Dann ordnen sich die Jugendlichen einem der Themenvorschläge zu und bilden Kleingruppen. - 2-3: Es kann losgehen: Die Gruppen verteilen sich auf verschiedene Räume, wobei auch zwei Computerräume für evtl. Recherchen zu benötigten Hintergrundinformationen zur Verfügung stehen. Nun wird konzipiert, recherchiert, gezeichnet, gebastelt, getextet und geübt: Inhaltlich müssen nicht nur die diversen Angebote erklärt und beleuchtet werden, sondern auch die Faszination, die ihnen innewohnt, soll dargestellt werden, ebenso wie die Schattenseiten der Dienste (beispielsweise Datenschutz, Kommerzialisierung oder Möglichkeiten zum Cybermobbing). Aus visueller Sicht gilt es, in kurzer Zeit ansprechende Skizzen zu zeichnen und diese aufeinander abzustimmen. Sobald alle Inhalte fertiggestellt sind, wird das Zusammenspiel von gesprochenem Text und bewegtem Bild vor der Handykamera geübt.
- 4-5: Jetzt stehen die Dreharbeiten auf dem Programm: Pro Kleingruppe gibt es eine Kamerafrau bzw. einen Kameramann, eine/n Vorleser/in sowie „Puppenspieler/innen“, die die Zeichnungen analog animieren, sprich: bewegen. Da die Videos nicht mehr nachbearbeitet werden wird der Text live vorgelesen, und so sind pro Gruppe mehrere Durchgänge nötig, um die Aufnahme ohne Versprecher oder falsche Bewegungen im Kasten zu haben. Auf Hintergrundmusik wird konsequent verzichtet, um die Stimmen deutlich zu hören – und auch, um möglichen GEMA-Problemen bei der Veröffentlichung aus dem Weg zu gehen. Abschließend werden alle Clips von den Handys auf unsere Laptops kopiert, um sie gesichert zu haben und gemeinsam betrachten zu können.
- 6: In der letzten Stunde des Projekttages folgt die gemeinsame „Premierenfeier“, dazu versammeln sich alle Teilnehmenden wieder in der Aula, wo die Videoclips auf großer Leinwand präsentiert werden. Ein intensiver Projekttag geht zu Ende, und Lehrer/innen wie Schüler/innen gewinnen abschließend einen Einblick in die Arbeiten der Projektgruppen und in die vielfältigen Ergebnisse.
PLAY
Nach diesem kompakten Werkstatt-Tag ist nicht mehr allzu viel Postproduktion nötig: Der sonst übliche Videoschnitt entfällt, lediglich ein kurzer Abspann wird an die Videos geschnitten, um relevante organisatorische Angaben unterzubringen. Nun können die Videos direkt online gestellt werden.
Zu überlegen ist, welche Plattform für die Veröffentlichung geeignet ist. Bei unserem Pilotprojekt entschieden sich die Schule und der Förderverein, der das Projekt finanziert hat, gegen große Online-Videoportale, sondern für die Homepage des Fördervereins. Die entstandenen Videos können nun hier betrachtet werden.
REVIEW
Rückblickend lässt sich festhalten, dass das Experiment „jugend.medien.werkstatt“ hervorragend geklappt hat: Die beteiligten Jugendlichen haben engagiert mitgearbeitet, und so sind in zwei Projekttagen fast 30 Clips entstanden, die aktuelle Medien-Trends beleuchten – teils sachlich und informativ, teils unkonventionell und witzig, immer aber kreativ und auch kritisch.
Alle Clips wurden nach dem BYOD-Prinzip mit eigenen Geräten der beteiligten Jugendlichen produziert: Dies stellt eine Erleichterung der medientechnischen Arbeitsbedingungen dar und kann zugleich als Impuls auf die Schüler/innen wirken, um auch zukünftig Videoclips in Eigenregie zu drehen und online zu veröffentlichen.
Einige Erfahrungen, die wir in diesem Projekt gesammelt haben und die wir als Tipps für eigene BYOD-Projekte weitergeben können:
- Im Vorfeld des Projekts muss den Jugendlichen klar kommuniziert werden, dass ihre Geräte als Werkzeuge eingesetzt werden sollen und dass neben einem vollgeladenen Akku auch ein Datenkabel notwendig ist.
- Von einer Vollausstattung mit Online-Flatrates ist nicht auszugehen. Sofern online gearbeitet werden soll müsste also vor Ort ein WLAN bereitzugestellt werden.
- Unschlagbarer Vorteil eines BYOD-Projekts: Die sonst übliche Technikeinführung entfällt, die Gruppe kann sofort mit der inhaltlichen Arbeit beginnen.
- Bei der Postproduktion muss mit unterschiedlichen Foto- oder Video-Formaten gearbeitet werden, hier ist also ein flexibler Umgang mit Konvertierungs-Tools notwendig.
- Quintessenz: Der BYOD-Ansatz erwies sich als erfolgreiche und empfehlenswerte Arbeitsmethode, die bei unserem Projekt erstaunlich reibungslos funktionierte.
Der Handmade-Stil der Videos mag auf die User anfangs irritierend wirken, stellt aber die unterschiedlichen Arbeitsweisen und „Handschriften“ der Gruppen deutlich heraus. Insgesamt führte die bewusst hemdsärmelig gestaltete Vorgehensweise dazu, dass authentische Ergebnisse in wenigen Stunden fertiggestellt und vorzeigbar waren – diese Eigenschaft einer zeitgemäßen Medienarbeit stellt uns vor neue Herausforderungen, birgt aber faszinierende Chancen!