Interaktive YouTube-Filme

"Interaktive YouTube-Filme in der Medienpädagogik"Projektvorbereitungen
Neben Grundkenntnissen der Bildgestaltung, szenischen Bildaufteilung, Kameraführung und des Videoschnitts (vgl. Linktipps) sind verschiedenste Projektvorbereitungen zu treffen. Für die Entwicklung einer interaktiven Geschichte sollte eine grobe Strukturierung möglicher Szenen und Entscheidungspunkte als Hilfestellung vorbereitet werden (vgl. Abbildung 1). Der/die Computer sollte/n mit der entsprechenden Videoschnittsoftware, einem Internetzugang und bei Verwendung eines Mini-DV Camcorders mit einem FireWire-Anschluss ausgestattet sein. Bei Verwendung eines SD-Camcorders sollte im Vorfeld geprüft werden, ob die Videodateien in die Schnittsoftware importierbar sind und korrekt abgespielt werden. Für die Umsetzung filmischer Szenen sollte der Camcorder mit einem externen Mikrofonanschluss ausgestattet sein.

Die Entwicklung einer Filmidee/eines Drehbuchs (Projekttag 1)
Als Erstes wird gemeinsam mit den Jugendlichen eine Filmidee entwickelt. Dabei bieten folgenden Fragestellungen Orientierung: Um welche Personen geht es? Wo spielt die Geschichte? Was passiert wie und warum? Wie gehen die Hauptpersonen mit den Ereignissen um? Wie endet die Geschichte. Wie kommt es zum Ende? Im Unterschied zur Entwicklung einer linearen Geschichte, erfolgt beim interaktiven Film die parallele Entwicklung mehrerer Handlungsstränge. Das YouTube-Video stoppt nach verschiedenen Szenen und der Zuschauer entscheidet durch das Klicken auf einen der Buttons, was als nächstes geschieht. (‚Bleib stehen!‘ oder ‚Lauf weg!‘) Für ein Projekt im Umfang von max. fünf Tagen sollte die Geschichte insgesamt, sowie die Verzweigung der Handlungsstränge nicht allzu komplex sein. Gut umsetzbar in dieser Zeit sind beispielsweise zwei Knotenpunkte für das Treffen von Entscheidungen.

Neben dem Überblick über den Plot der Geschichte, der Logik der Handlungszusammenhänge sowie mögliche Knotenpunkte für Entscheidungsoptionen, besteht – in dieser Phase – die Hauptaufgabe der pädagogischen Fachkraft darin, die Entwicklung der Geschichte durch gezielte Fragestellungen voranzutreiben sowie Entscheidungsund Aushandlungsprozesse zu unterstützen. Quasi die Moderations-Rolle, in der sie möglichst neutral, ohne großen Eigenanteil an Ideen den Prozess steuert (sich aber durchaus mitreißen lässt von den Ideen der Jugendlichen). Am Ende sollten alle Hauptfiguren, Drehorte, wesentlichen Handlungen, parallelen Handlungsabläufe, Entscheidungen und verschiedenen Enden der Geschichte fest stehen und schriftlich festgehalten werden. Anschließend kann mit der differenzierten Planung der einzelnen Szenen und der Dreharbeiten begonnen werden. Der Start der Dreharbeiten sollte spätestens am zweiten Projekttag stattfinden. Wenn möglich sollte am Ende des ersten Projekttages bereits die Umsetzung einer kleineren Szene erfolgen.

Detaillierte Szenenplanung und Dreharbeiten (Projekttage zwei bis vier)
Um die stark ‚theorielastige‘ Phase des Drehbuchentwickelns nicht zu sehr auszudehnen, empfiehlt sich im Folgenden ein Wechsel von detaillierter Szenenplanung und Verfilmung geplanter Szenen. Anschließend kann mit der differenzierten Planung der einzelnen Szenen und der Dreharbeiten begonnen werden. Der Verlauf der Dreharbeiten ist vergleichbar mit dem Ablauf eines gewöhnlichen Videoprojekts. Am Ende jeden Tages sollte das Material gemeinsam gesichtet und digitalisiert bzw. abgespeichert werden. Wenn möglich, ist es zudem sinnvoll – zum Ende der jeweiligen Drehtage – die abgefilmten Szenen grob zusammenzuschneiden. Spätestens gegen Mitte des vierten Projekttages sollte mit dem Schnitt begonnen werden.

Schnitt, Hochladen, Verknüpfen, Präsentation (Projekttag 5)
Der letzte Projekttag sollte zur Fertigstellung des Schnitts der einzelnen Filmszenen sowie zum Hochladen und Verknüpfen dieser auf YouTube eingeplant werden. Das Produzieren mehrerer einzelner, paralleler Filmsequenzen, welche später mit Hilfe von Buttons in YouTube miteinander verlinkt werden, begünstigt eine arbeitsteilige Produktion an mehreren Rechnern gleichzeitig. Erfahrungsgemäß eignen sich die Jugendlichen die Schnitttechnik und Software sehr schnell an, allerdings sollten an den vorherigen Projekttagen bereits einige Jugendliche entsprechend eingeführt worden sein. Mit der Absicht der Veröffentlichung im Netz, sollten Creative Commons Lizenzen verwendet werden.

Die hochgeladenen Videos können im YouTube Videomanager unter ‚Bearbeiten‘. ‚Anmerkungen‘ mit einander verknüpft werden (‚Anmerkung hinzufügen‘). Zum Festhalten von Standbildern – für die Dauer der Buttoneinblendung – kann eine Pause eingefügt werden. Damit man per YouTube-Suche nicht auf einer der mittleren Filmszenen landet, empfiehlt es sich, nur das Startvideo in der Suche listen zu lassen. (siehe Privatsphäre Einstellungen) Als Abschluss des Projekts sollte das fertige interaktive Video gemeinsam auf großer Leinwand präsentiert werden. Die Interaktivität der Geschichte bietet es an, dass ein oder zwei Moderatorinnen und Moderatoren durch die Geschichte führen und die Zuschauenden auffordern per Handzeichen oder Rufen den Handlungsverlauf der Geschichte zu bestimmen.


Zielgruppe

  • Jugendliche

Eingesetzte Medien

  • Video
  • Web

Ziele

  • Reflexion

Varianten, Erweiterungen, Modulationen

Falls der interaktive Film eine bestimmte Thematik aufgreift, welche im Rahmen des Filmprojekts bearbeitet werden soll, sollte das entsprechende Thema zunächst eingeführt und gemeinsam mit den Jugendlichen diskutiert werden. Falls das Wochenprojekt lediglich auf die Vormittage beschränkt ist, ist es sinnvoll im Vorfeld des Projekts einen zusätzlichen halben Tag für den Einstieg in die Thematik und die Entwicklung der Filmidee einzuplanen. In Abhängigkeit der Zielgruppe und des zeitlichen Projektumfangs sind Tagesplanungen, Unterstützungsleistungen sowie der Umfang und die Komplexität der Geschichte flexibel zu gestalten. Je nach Projektumfang können Handlungsverzweigungen einfach gehalten oder ausdifferenziert und entsprechend die Anzahl der Knotenpunkte für Entscheidungen erhöht werden. Die Umsetzung eines interaktiven Videos ist ebenso als längerfristiges, wöchentliches Projekt denkbar. Zu beachten wären hierbei allerdings eine ausführlichere Koordination und Planung, um mögliche Filmfehler etwa durch unterschiedliche Kleidungsstücke, Frisuren der Schauspieler zu vermeiden.

Mit ‚bildungsfernen‘ Jugendgruppen oder bei kürzerer Konzentrationsspanne der Jugendlichen, ist es – erfahrungsgemäß – sinnvoll, nach der groben Entwicklung eines Drehbuchs direkt mit der Umsetzung der Szenen zu beginnen. Szenenplanungen können spontan am Drehort selbst besprochen und Dialoge von den Jugendlichen kurz vorbereitet und improvisiert umgesetzt werden. Der Gesamtüberblick über filmische Zusammenhänge und wichtige Handlungsdetails ist dabei im Blick zu behalten. Des Weiteren könnte der interaktive Film auch als Musikclip und ohne die Verwendung von Dialogen umgesetzt werden. Mit einer sehr reduzierten Schnittmethode; mit nur einer Video und einer Audiospur (zur Musikunterlegung nur für die gesamte Filmsequenz) könnte das Filmprojekt auch direkt über den YouTube Video Editor online geschnitten werden. Hierfür ist eine gute Internetverbindung erforderlich. Ebenso die Verwendung eines SDCamcorders um ausgewählte Videodateien schnellstmöglich hochladen zu können. Zu empfehlen ist allerdings die Installation einer geeigneten Videoschnittsoftware (vgl. Linktipps).

Tipps & Tricks

Die Form der kurzen voneinander getrennten und später miteinander verknüpften Filmsequenzen eignet sich ausgesprochen gut, um mit den Jugendlichen arbeitsteilig an mehreren Rechnern gleichzeitig zu arbeiten. Ebenso können sich Dreh- und Schnittphasen (insbesondere unter Verwendung eines SD-Karten-Camcorders) abwechseln, was ein besseres Verständnis für folgende Szenenplanungen und filmische Umsetzungen fördert. Die Entwicklung einer Geschichte verläuft ungewöhnlich. Nicht als lineare Abfolge sondern non-linear und parallel zu einander. Es kann herumexperimentiert werden mit Handlungsoptionen und den Auswirkungen einzelner Entscheidungen. Das Ende der Geschichte muss nicht als beispielsweise Gut oder Böse entschieden werden; mehrere verschiedene Enden können entwickelt und realisiert werden. Der Ausgang der Geschichte liegt in der Hand des Publikums. Zudem eignet sich die Form des interaktiven Films insbesondere als interaktive Publikumsbeteiligung.

Schwierigkeiten

Die Planung und Realisierung eines interaktiven Films ist umfangreicher als die Umsetzung einer linearen Filmhandlung. Die Filmgeschichte muss stark reduziert werden, um innerhalb eines fünftägigen Projekts umsetzbar zu bleiben. Die parallelen Handlungsstränge sind komplex und müssen gut strukturiert aufbereitet werden. Um während der Drehund Schnittarbeiten den Überblick über die non-lineare Gesamthandlung zu behalten, ist es sinnvoll die Struktur der Geschichte in Form einer Mindmap festzuhalten und für die jeweiligen Produktionsschritte immer heranzuziehen. Eine schlechte Internetverbindung kann die Phase des Hochladens und entsprechend der Fertigstellung des Films verzögern. Entsprechende Zeitverzögerungen müssen eingeplant werden.


Checkliste

  •  Zeit: mindestens fünf Projekttage
  • Raum: ungestörter Raum zum Entwickeln einer Filmidee, Diskutieren, Arbeiten, Videoschneiden et cetera
  • Teilnehmer: Kleingruppe von maximal acht Jugendlichen (besser sechs)

Ideale Technik-Ausstattung

  • SD-Camcorder (Die Videos können direkt von SD-Karte auf die Rechner kopiert und sofort bearbeitet werden)
  • SD-Karten Slot/Lesegerät
  • Ein bis vier schnittfähige Computer mit Internetzugang (Jugendliche können arbeitsteilig, gleichzeitig Szenen schneiden, Musik suchen, Filmszenen auf YouTube laden, Buttons vorbereiten)
  • Videoschnittsoftware, welche die Videoformate der SD-Karte unterstützt
  • Internetzugang und YouTube Konto
  • Beamer und Projektionsfläche zur Präsentation des fertigen Videos

Minimale Technik-Ausstattung

  • Kostenlose Videoschnittsoftware (z.B. Videopad) oder YouTube Online-Editor (schnelle Internetverbindung vorausgesetzt)
  • Videokamera (+FireWire oder SD-Karten- bzw. USB-Anschluss)
  • Computer mit Internetzugang

Vorkenntnisse und Anforderungen

  • Grundlagen der Kameraführung, Bildgestaltung, Szenischen Darstellung und Drehbuchentwicklung
  • Entwickeln eines interaktiven Storyboards mit zwei bis drei parallelen Handlungssträngen
  • Umgang mit der Videoschnittsoftware, Grundkenntnisse Videoschnitt
  • Videos auf YouTube laden und bearbeiten (interaktiv verknüpfen)
  • Koordination und Unterstützung mehrerer Kleinstgruppen

Nützliche Materialien/Tools

  • Strukturplan eines interaktiven Drehbuchs‘ (Hilfestellung beim gemeinsamen Entwickeln eines Plots mit den Jugendlichen)
  • Mindmap zur Darstellung der nichtlinearen Handlungsabfolge der Story
  • Hardware abhängig von verwendeter Technik und Software

Links & Material

www.parabol.de/parabol/dateien/Videoeinfuehrung.pdf Einführung in die Videopraxis (Bildgestaltung, filmische Szenenplanung, Schnitt et cetera)

www.nchsoftware.com/videopad/de/index.html kostenloses Videoschnittprogramm: Videopad von NCH (nach 14 Tagen downgrade auf kostenlose Version nötig)

Musik und Sounds unter Creative Commons Lizenz:
www.eng.letscc.net
www.medienpaedagogik-praxis.de/kostenlose-medien/freie-musik

Beispiele für ein interaktives Filmprojekt
Chef im Netz: www.Webhelm.netzcheckers.net/p4001180708_485.html
Die Abzocker: www.Webhelm.netzcheckers.net/p2551086076_486.html

Anleitung für die Verwendung von Anmerkungen in YouTube Videos (interaktive Verknüpfungen)
www.support.google.com/youtube/bin/answer.py?hl=de&answer=92710
www.support.google.com/youtube/bin/answer.py?hl=de&answer=183851


About

Sonja Breitwieser
Medienzentrum Parabol e.V.
breitwieser@parabol.de
www.parabol.de

Das Medienzentrum PARABOL dient der Stadt Nürnberg und dem Bezirk Mittelfranken seit 1985 als zentrale medienpädagogische Einrichtung zur Vermittlung von Medienkompetenz. Träger ist der gemeinnütze Verein Medienzentrum PARABOL e.V. Zielsetzung ist, Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen, sich mit Hilfe von Medien (Radio, Multimedia, Video) aktiv, kreativ und kritisch auszudrücken. Erreicht werden soll dies durch unterschiedliche Angebote wie zum Beispiel Seminare, Medienprojekte, Schul- und Ferienaktionen. Zudem organisiert das PARABOL Kinder- und Jugendmedienwettbewerbe und Festivals.

Sonja Breitwieser ist Multimediareferentin im Medienzentrum Parabol. Sie ist verantwortlich für Konzeption und Durchführung diverser Multimediaprojekte, Multiplikatorenschulungen, Webentwicklung (Projektwebseiten). Momentane Themenschwerpunkte: Computerspiele, Partizipation, Social Media, Webentwicklung.

Verfasst am 06.12.2012
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