Lernen und Lehren mittels eGame

Zurzeit hat man das Gefühl, dass sich die ganze (medienpädagogische) Welt mit dem Thema Bildung und Computerspiele auseinandersetzt – soweit so gut! Interessanter Weise scheinen jedoch auch hier die Herangehensweisen unterschiedlich motiviert zu sein. Während die einen auf die schon seit Jahren mehr oder weniger (meist jedoch weniger) gelungen Edutainment-Spiele, bzw. den heute gerne genutzten Deckelbegriff ‚Serious Games‘ setzen, arbeiten die anderen daran, wie man populäre, kommerzielle Spiele in Unterrichtskontexte einbeziehen kann, was man auch als eine Methode von konstruktiver Computerspielpädagogik bezeichnen könnte. Auch das, was dann letztlich vermittelt wird unterscheidet sich oftmals – purer Unterrichtsstoff vs. ganzheitliche Schlüsselkompetenzen.

Beide Wege haben ihre Vor- und Nachteile, welche ich hier in Ansätzen kurz darstellen möchte:

Serious Games

Vorteile

  • Sind was die Lerninhalte angeht meist fundiert und spezialisiert
  • Nutzen die Motivationsmechanismen von eGames
  • Versuchen die Lebenswelt der Schüler mit einzubeziehen
  • Geben dem Lehrenden die Möglichkeit Inhalte mittels interaktiver Methoden besser zu verdeutlichen
  • Werden meist mit guten didaktischen Materialien vermarktet
  • Laufen meist auch auf nicht aktueller Hardware

Nachteile

  • Technik und Gamedesigne kommen nicht an kommerzielle eGames heran
  • visuelle und akustische Qualität lassen meist zu wünschen übrig
  • die Inhalte werden meist nicht durch gute Erzählweisen gestützt
  • Belohnungssysteme sind leicht durchschaubar (Trennung von spielen und lernen)
  • die Möglichkeiten der Partizipation durch die Schüler sind oft zu stark eingegrenzt
  • langzeitmotivierende Mehrspielermodi fehlen meist ganz

Siehe auch: KLICK

Fazit: Die meisten Serious Games sind schlicht und ergreifend langweilig, dennoch versuchen sie überaus komplexe Themenbereiche zu vermitteln. Dies führt zu einem Konflikt, bei dem Inhalt und Schüler oftmals auf der Strecke bleiben. Als Einstieg in ein Thema sind Serious Games dennoch nicht zu verachten, wenn denn der Lehrende die Impulse gut umzusetzen weiß.

Populäre eGames

Vorteile

  • Sind technisch auf hohem Niveau
  • Spiegeln die Lebens- und Spielwelt der Schüler wider
  • Motivationsmechanismen sind „Langzeit erprobt“
  • Belohnungssysteme sind meist sehr gut ins Spiel implementiert
  • auch ohne didaktische Intervention werden Schlüsselkompetenzen vermittelt (soziale, kognitive…)
  • Schüler können (als Experten) in die Erstellung von Materialien und Methoden involviert werden

Nachteile

  • Inhalte stehen meist in keinem pädagogischen Kontext
  • Pädagogische Methoden und Didaktik müssen erst erarbeitet werden
  • Zugangsvoraussetzungen (bezogen auf Inhalt, Technik und Handhabung) für den Lehrenden sind enorm hoch!
  • Zeitlicher und inhaltlicher Aufwand für den Lehrenden ist meist höher
  • Spielziel und pädagogisches Ziel können weit auseinander liegen
  • Hardwareanforderungen sind meist höher als bei Serious Games

Fazit: Beim Schüler werden populäre eGames sehr gut ankommen. Für den Lehrenden allerdings ist der Einsatz dieser Spiele mit sehr hohen Anforderungen verbunden. Nicht nur, dass eine positive Grundeinstellung gegenüber eGames – oder zumindest eine objektive Herangehensweise – fast schon zwingend ist, stellen vor allem die Spielinhalte und deren Übertragung auf Schlüsselkompetenzen (im besten Fall sogar auf den aktuellen Lernstoff) oftmals eine unüberwindbare Hürde da. Hier muss man ansetzen und dem geneigten Pädagogen vor allem Methoden und praktische Hilfen vermitteln.

Aktuelle Diskussionsansätze zum Thema:
Richtig und wichtig ist, dass das Thema eGames im Unterricht eine größere Rolle spielen könnte, als es dies derzeit tut. Daher sind die Bemühungen verschiedenster Institutionen und Vordenker, eGames in Bildungskontexte zu implementieren, mehr als gerechtfertigt. Hier eine kleine Auswahl zum derzeitigen Diskussionsstand:

  • MedienPädagogik Themenheft: Computerspiele und Videogames in formellen und informellen Bildungskontexten – KLICK
  • Wiener Computerspielforschung: 12 Thesen zum Einsatz von Computerspielen im Unterricht – KLICK
  • Expertise „Computerspiele und virtuelle Welten als Reflexionsgegenstand von Unterricht“ umgesetzt von Prof. Dr. Johannes Fromme, Jens Wiemken und Marco Fileccia. Ergebnisse wohl ab Oktober 2009 – KLICK
  • Konferenz „GameCultures“ der UNI Magdeburg – ein Blick ins Tagungsprogramm verrät, dass sich nicht nur Panel 1 mit „Pädagogischen und lernorientierten Zugängen“ befasst – KLICK
  • Artikel zum Thema aus SpiegelOnline „Games in der Schule…“ – KLICK
  • Materialsammlung von „Spielraum“ zu dem Thema – KLICK
  • „Kompetenzförderliche und kompetenzhemmende Faktoren in Computerspielen“ Kurzfassung des JFF aus 2004 –KLICK
  • byte42.de bzw. Jens Wiemken, ist seit Jahren einer der Vordenker in diesem Bereich – KLICK
  • Auseinandersetzung von „Spawnpoint“ mit dem Thema, u.a. eGames im Kunstunterricht – KLICK

Dies kann natürlich nur ein Auszug sein, daher bitten wir um Meinungen, Ergänzungen oder auch Praxisbeispiele in den Kommentaren…

Abschließend:
Egal ob Serious Games oder Computerspielpädagogik – bei aller Euphorie um das Thema sollten nicht die Voraussetzungen an den involvierten Schulen vergessen werden. Viele innovative Ideen scheitern, weil sie sich nicht mit bestehenden Bedingungen vereinbaren lassen. Was in der aktiven Medien(Projekt-)arbeit (Team rückt an, macht mit mehr oder weniger Einsatz der dortigen Lehrkräfte ein eGames Projekt und verschwindet wieder) meist sehr gut funktioniert, kann im Alltag am Lehrplan, Lehrkörper, Jugendschutz, Technik und/oder Methode scheitern… Zudem sollte man sich immer bewusst sein, dass eine Methode nur so gut sein kann, wie der der sie einsetzt – ein guter Lehrer muss nicht zwangsläufig eGames nutzen, um seine Schüler zu erreichen – er kann jedoch seinen Unterricht jederzeit damit bereichern.

Als großes Hindernis für alle alternativen Lehrmethoden muss derzeit jedoch das deutsche Schulsystem als solches angesehen werden. Die Möglichkeit das „Lernen zu lernen“ steht viel zu oft im Wiederspruch zur reinen Wissensvermittlung durch den Lehrplan – aber daran lässt sich ja arbeiten! 😉

Gerrit Neundorf Kurzbio
studierte in Leipzig und in Darmstadt Sozialpädagogik, wo er u.a. durch Prof. Dr. Franz-Josef Röll von der Medienpädagogik infiziert wurde. Von 2002 bis Mai 2009 war er als Medienpädagoge beim Landesfilmdienst Thüringen e.V. angestellt und betreute dort mehrere landesweite Projekte. Seit 2007 ist er einer der Leiter von Spawnpoint - Instituts für Spiel- und Medienkultur e.V. Für das Land Thüringen ist er seit 2011 als Jugendschutzsachverständige bei der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) tätig.
Verfasst am 03.03.2009
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