Medienpädagogik unplugged #1 – Programmieren ohne Strom

Foto: Offener Kanal Merseburg Querfurt e.V.

Programmieren will gelernt sein. Für die medienpädagogische Arbeit optimal ist, dass das spielerisch, experimentell, kreativ geht und man dazu noch nicht mal unbedingt Strom braucht.

Bei der Programmierung geht es im Kern um die Entwicklung von Algorithmen, also Abfolge-Regeln. Simple Beispiele sind Rezepte oder Weg-Beschreibungen. Damit diese funktionieren, müssen sie aus klar nachvollziehbaren, allgemeinverbindlichen Definitionen und Anweisungen verfasst werden. Genau das lässt sich mit einfachem Material prima üben. Für das Kindermedienfest am Offenen Kanal Merseburg-Querfurt e.V. ist dazu die Station „Programmieren ohne Strom“ entstanden, die seither bei Medientagen immer wieder zum Einsatz kommt.

Zielgruppe
Schüler*innen

Material
Als Spielfeld wird eine 70 × 100cm² große Pappfläche verwendet, auf die ein Linienraster in Form einer Matrix von 9 × 6 Quadraten aufgemalt ist. Zwei Spielfiguren in handlicher Größe übernehmen die Rollen der Akteure, als variable Spielelemente und Programmierbausteine dienen Blanko-Bierdeckel mit aufgemalten Zeichen und Symbolen. Zum Zeichnen eignen sich sehr gut schwarze Marker mit breiter Zeichenspur. Folgendes Sortiment wird benötigt:

* 15 Quadrate
* 40 senkrechte Pfeile
* je 20 Dreh-Pfeile, Rotation 90° rechts bzw. links
* je 6 Mal die Ziffern 2 bis 6
* je 1 Mal die Ziffern 7 und 8
* je 5 Mal die Aufschriften F1 und F2

Das ist natürlich nur eine Start-Kollektion, die je nach Bedarf variiert werden kann. Die Auswahl sollte übersichtlich bleiben. Tipp: Die Links-/Rechts-Drehpfeile lassen sich platzsparend auf Vorder- und Rückseite einer Karte unterbringen.

Ablauf
Die Aufgabe besteht darin, eine Anweisungs-Abfolge aufzustellen, die eine Figur von einer gegebenen Ausgangsposition reproduzierbar zu einem gegebenen Ziel führt. In weitern Schritten kann der Algorithmus durch Abstraktion effizienter gestaltet werden.

Level 1: Programmierung
Die zwei Figuren werden auf verschiedene Felder gesetzt, zwei Quadrate als Hindernis zwischen ihnen ausgelegt. Eine Figur markiert das Ziel, die andere agiert als Akteur. Als Hintergrund-Geschichte kann ganz in Dungeon-Manier eine Story nach dem Muster „Held muss Prinzessin finden/retten“ erzählt werden.

Die erste Frage lautet: „Welche Anweisung braucht der Held, um auf dem Weg zum Ziel einen Schritt weiter zu kommen?“ Die entsprechende Aktionskarte wird gewählt (Drehen rechts, Drehen links oder Geradeaus-Schritt) und die Figur bewegt. Nach ein paar Schritten ist das Prinzip in der Regel klar. Alle Anweisungs-Karten werden jeweils gesammelt und hintereinander gestapelt aufgehoben. Hat die Figur ihr Ziel erreicht, ist so ein kompletter Bewegungs-Algorithmus entstanden.

Glückwunsch, das erste Programm ist „geschrieben“!

Level 2: Programm-Ausführung
Jetzt wird die Aktions-Figur wieder auf die Ausgangsposition gesetzt und zwei Rollen verteilt: „Controller“ und „Aktuator“. Der Controller blättert Schritt für Schritt den Anweisungsstapel durch und gibt so dem Aktuator die Anweisungen zum wiederholten Ausführen des Programms. Der Aktuator setzt daraufhin die Figur, die so ein zweites Mal zum Ziel geführt wird, vorausgesetzt natürlich, die Kommunikation stimmt.

Level 3: Optimierung
Jetzt ist Optimierung gefragt. Wichtige Grundprinzipien der Programmierung sind Generalisierung und Abstraktion. Wiederholte Anweisungen z.B. abstrahiert man in Programmschleifen. In unserem Kontext drücken wir mehrere gleiche Befehle durch eine vorangestellte Zahlenkarte aus. So ensteht z.B. aus einer Ziffer 5 mit nachfolgendem geradem Pfeil die Anweisung „Tue fünf Mal das Folgende: Gehe geradeaus!“, eine 3 mit nachfolgendem Drehpfeil nach links ergibt „Tue drei Mal das Folgende: Drehe dich links herum!“.

Es ist sehr zu empfehlen, die Anweisungen jedes Mal ausdrücklich und immer auf die gleiche Art zu verbalisieren.

Level 4: Reproduktion
An dieser Stelle empfiehlt es sich, die Kids einfach machen zu lassen. Aufgabe könnte z.B. sein, mit den Hindernis-Karten ein eigenes Level zu gestalten und den entsprechenden Weg zu programmieren. Meist kommt dieser Impuls von ganz allein.

Level 5: Funktionen
Gegebenenfalls kann man weitere Konzepte der Programmierung einflechten. Komplexe wiederkehrende Anweisungsfolgen lassen sich z.B. in Funktionen sammeln. Für diese gibt es die Karten mit der Aufschrift „F1“ und „F2“. Wiederkehrende Befehls-Sequenzen sammelt man dazu separat neben dem Spielfeld und legt einen Funktionsnamen obenauf. Im eigentlichen Programmablauf wird dann anstelle der Sequenz nur noch der Funktionsname als Referenz und Aufruf zu dessen Ausführung eingefügt.

Rahmen
Ideal für das „Programmieren ohne Strom“ ist eine Gruppengröße von 2–6 Personen, jeweils in Rotation der Aufgaben/Rollen. Als Zeitrahmen hat sich eine Dauer von ca.15–20 Minuten pro Gruppe bewärt. Dadurch eignet es sich perfekt für den Stations-Betrieb z.B. bei diversen Medientagen.

Schwerpunkte
Vordergründig ist der Fokus natürlich erst einmal abstrakt auf das vorausschauende Planen, Optimieren und Variieren von Anweisungs-Abfolgen gerichtet, was Grundfertigkeiten der Programmierung direkt übt.
Zusätzlich sind aber Kommunikations-Fertigkeiten und Kooperation gefragt, um miteinander den Programmablauf korrekt gestalten und ausführen zu können. Nebeneffekt zudem: die Rechts-Links-Koordination wird trainiert bei der Orientierung der Bewegungs-Abläufe.

Nicht zuletzt besteht der Charme natürlich im Offline-Charakter und und der damit verbundenen taktilen Erfahrung beim Umgang mit den Materialien.

Viel Spaß beim Gestalten und Programmieren!

 

Foto: Diana Elsner

 

P.S.: Der selbe Ansatz funktioniert auch im Freien, mit Kreide auf den Boden gemalt.


Dieser Beitrag ist Teil der Artikelserie „Medienpädagogik unplugged“. In dieser Artikelserie werden in unregelmäßigen Abständen und von unterschiedlichen Autor*innen Methoden, Materialien und Settings der (medien-)pädagogischen Praxis vorgestellt, die digitale Inhalte und Themen der Digitalität und Medienpädagogik aufgreifen – mit Hilfe von „Offline-Methoden“ und analogen Medien und ohne den expliziten Einsatz digitaler Geräte und Werkzeuge.

 

Matthias Baran Kurzbio
Jahrgang 1970, studierter Spiel- und Lehrmittel-Designer, gelernter Kommunikationselektroniker, seit vielen Jahren in der Medienbildung tätig, Lehrer am Studienkolleg der Uni Halle, Dozent an der Medienanstalt Sachsen-Anhalt, praktizierender Nutzer und Erfahrungs-Teiler von Workflows mit Freier Software.
Verfasst am 08.01.2019
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