Choose Your Own Adventure Teil 2

Struktur des Twine-Spieles "Absturz im Dschungel"

Weitere Ideen für die Arbeit mit Twine

Im ersten Teil habe ich einen Überblick zum Genre der Interactive Fiction gegeben und das Open Source Programm Twine 2 als nützliches Werkzeug für den Einsatz in der medienpädagogischen Arbeit vorgestellt. Hier sollen weitere Ideen und Möglichkeiten zur Textgestaltung umrissen werden.

Twine eignet sich für kollaborative Schreibprojekte, das gemeinsame Verfassen interaktiver Erzählungen. Da nicht gleichzeitig an einem Dokument gearbeitet werden kann, müssen die Textpassagen von den AutorInnen entweder am selben Computer nacheinander geschrieben oder zunächst in einem anderen Programm erstellt und dann in Twine zusammengefügt werden. Auch das Teilen des HTML-Dokuments über Cloudspeicher ist natürlich möglich.

Wenn man sich in das Programm vertieft, bietet es zahlreiche Optionen für den Einsatz von Variablen, Scripts und optischen Anpassungen; für das hier beschriebene Einsatzgebiet genügt zunächst die Verlinkungsfunktion.

Digitale Fortsetzungsgeschichten

Allgemeine Richtlinien für das Verfassen von Fortsetzungsgeschichten, wie das Beibehalten der Erzählperspektive und der Erzählzeit, gelten auch hier. Auch sollte zu Beginn geklärt werden, welche Inhaltselemente in die Einleitung gehören, welche in den Hauptteil und welche in den Schluss.

Die wichtigste Regel lautet: es darf nichts, das jemand andere/r geschrieben hat, geändert oder gelöscht werden, denn in Twine lassen sich frühere Textversionen nicht wiederherstellen. Nur der Titel der eigenen Textpassage darf allenfalls geändert werden – jede Textpassage braucht in Twine einen eindeutigen Namen.

  • Digitale Reihumgeschichte: Dies ist eine lineare Erzählung, an der sich eine beliebige Zahl von Autorinnen beteiligen kann. Es wird nur ein Computer benötigt. Die Passagen können je nach Vereinbarung ein, zwei Sätze oder mehr umfassen. Jede Autorin liest zunächst nur die Passage, die die Person vor ihr geschrieben hat, und schließt daran an. Die letzte Autorin muss der Geschichte einen Abschluss geben. Ein Plan kann, abhängig von der Zahl der Autorinnen, die ungefähre Einteilung der Geschichte vorgeben, etwa: 2 Passagen Einleitung, 3 Passagen Hauptteil/Höhepunkt, 1 Passage Schluss. Thema und Einleitungssatz werden zu Beginn in der Gruppe beschlossen.
  • Reihumgeschichte mit Verzweigungen: Die Autorinnen können alles lesen, das bereits geschrieben wurde, und entweder die Hauptgeschichte fortsetzen oder eine Verzweigung einfügen und die Geschichte anders weiterführen. So kann aus einer einleitenden Passage eine Vielzahl möglicher Texte entstehen. Es kann vereinbart werden, dass auch die verzweigten Passagen zu einem Ende führen müssen. Wenn man aber experimentieren möchte, können hier alle Regeln außer Kraft gesetzt und freies Assoziieren gefördert werden, und man schaut einfach, was aus dem Text entsteht.
  • Anfang und Ende vorgegeben: Hier soll durch jede Autorin unabhängig voneinander der Hauptteil einer Geschichte ausformuliert werden, Anfang und Ende sind vorgegeben. Jede Autorin setzt am Ende der Anfangspassage einen Link zu ihrer Fortsetzung und am Ende des eigenen Abschnittes einen Link zum Schluss der Geschichte. Dafür ist nicht unbedingt Twine nötig, der Reiz liegt nur darin, dass am Ende alle Geschichten in einem einzigen HTML-Dokument gesammelt und von einem gemeinsamen Ausgangspunkt zugänglich sind. Die Texte sollten in einem anderen Programm verfasst und dann nur in Twine zusammengeführt werden.
    • Variante: Wie in der Reihumgeschichte mit Verzweigungen wird der Hauptteil in mehrere Passagen aufgeteilt, die Erzählung kann in unterschiedliche Richtungen entwickelt werden. Am Ende müssen jedoch alle Stränge in das gemeinsame Ende münden.
  • Unendliche Schachtelgeschichte: Jede Passage ist eine kurze, abgeschlossene Erzählung. Diese können anderswo verfasst werden, etwa in einem Etherpad, einem Textdokument oder auch handschriftlich, und werden dann in Twine übertragen. In jeder Geschichte muss nur ein Satz oder eine Stelle vorkommen, an die eine weitere Geschichte angeschlossen werden kann, zB: „Opa erzählte, wie er [seinen ersten Hund gefunden] hatte. Dann gingen wir alle schlafen, um für die Wanderung am nächsten Morgen fit zu sein.“ Hier wird also die Geschichte über Opas Hund angeschlossen, die wiederum einen Link zu einer weiteren Geschichte enthält. Die nötige Erzählsituation, in der das nächste Thema erwähnt wird, kann auch ein Film oder eine Radiosendung sein („In den Nachrichten lief ein [Beitrag über ein verschwundenes Flugzeug]“). Elegant fände ich, wenn die letzte Geschichte wieder an die erste anschlösse … Die Themen der Geschichten und die Reihenfolge müssen vorher abgesprochen werden.
  • Hypertext-Erzählung im Team: Für eine Hypertext-Erzählung mehrerer Autorinnen mit Verzweigungen und eventuell mehreren Enden ist es notwendig, eine Struktur festzulegen. Die Gruppe von Autorinnen muss sich über Thema, Hauptpersonen, Erzählzeit etc. einigen. Dann kann man zB mithilfe einer Concept Map vereinbaren, welche Richtungen der Text nehmen soll, welche Passagen es gibt, was sich ungefähr dort ereignen soll und wie sie miteinander verknüpft sind. Die Zahl der Passagen richtet sich nach der Zahl der Autorinnen, wobei nach Zeitrahmen auch jeweils mehrere Passagen verfasst werden können. Jede Passage erhält einen eindeutigen Namen zur Benutzung in Twine, diese werden in ein Etherpad oder ein Google Dokument eingetragen, wo dann auch die fertigen Texte entstehen. Dann werden die Passagen verteilt und jede Autorin schreibt den zugewiesenen Text. Um zu vermeiden, dass sich alle nur um die spannendsten Stellen reissen, werden die Namen der Abschnitte auf Zettel geschrieben und zufällig gezogen.

Am Ende all dieser Projekte steht eine Veröffentlichung als HTML Dokument, zB in Moodle, auf einer Schul-Homepage, einem Blog etc. Hypertext-Erzählungen können über einen Twitter-Account direkt aus Twine auf der Interactive Fiction Plattform Philome.la veröffentlicht werden.

Nicht vergessen sollte man daher, am Ende der Erzählung eine eigene Credits-Passage einzufügen.

Formatieren

Formatierungen einzelner Worte und Sätze werden, ähnlich wie in Wikis, direkt in den Text eingefügt, etwa *Kursiv*, **Fett** oder ***kursiv und fett***. Überschriften werden mithilfe der Raute-Taste formatiert: #Überschrift 1, ##Überschrift 2 … Elementen einer Aufzählung geht ein Stern mit anschließendem Leerzeichen voran: * Aufzählung. Bei einer nummerierten Liste muss Zahl und Punkt ebenfalls ein Leerzeichen folgen: 1. nummerierte Liste. Drei Bindestriche erzeugen eine waagrechte Linie.

Hintergrund- und Textfarbe

Die Standardeinstellung von Twine ist schwarzer Text auf weißem Hintergrund. Das Aussehen des gesamten Textes und des Hintergrundes kann über die Option „Edit Story Stylesheet“ im Menü links unten im Hauptfenster auf vielfältige Weise gestaltet und angepasst werden. Gibt man dort etwa ein:

body

{

background-color: #32b835;

}

tw-passage

{

color: #004953;

}

werden die Farben des gesamten Projektes in petrolfarbenen Text vor grünem Hintergrund umgestellt. Hexcodes für Farben und einige hübsche und passende Farbkombinationen sind hier zu finden.

Das Einbetten von Bildern und Videos ist in Twine 2 nicht möglich, sie müssen getrennt – zB als öffentlicher Link in Dropbox – hochgeladen und dann mittels HTML-Code im Text verlinkt werden:

<img src=“URL des Bildes“ width=“500″ height=“300″ alt=“Mein Bild“>

Um Youtube- oder Vimeo-Videos einzubetten, genügt es, den entsprechenden Code einzufügen.

Variablen und Zufallsauswahl

Mithilfe von Variablen können im Spiel Zahlenwerte oder Wörter gespeichert und wieder abgerufen werden. So kann etwa am Anfang der Name der Spielerin, des Spielers erfragt und diese/r später immer so angesprochen werden. Auch Rollenspielcharaktere mit variablen Trefferpunkten lassen sich so erstellen, wie Chris Martens in ihrem Blog beschreibt.

Um einen Text als Variable zu kennzeichnen, wird $ davor gesetzt. Taucht in einem darauf folgenden Text also „$variable“ auf, wird sie durch den entsprechenden Wert ersetzt.

Durch eine Zufallsauswahl kann etwas Variation in einen Text eingebracht werden; für die Zufallsauswahl gilt folgende Syntax: (set: $variable to (either: „Beispiel1″,“Beispiel2″,“Beispiel3“)). Konkret sieht das im Editor so aus:

(set: $getraenk to (either: „Bier“, „Wein“, „Wasser“))

Auf dem Tisch steht ein Glas $getraenk.

Die SpielerInnen bekommen nur den letzten Satz zu sehen, wobei statt „$getraenk“ dann eben Bier, Wein oder Wasser steht. Auf die gleiche Weise kann man zu zufälligen Passagen verlinken, dies erhöht den Wiederspielwert.

Ausführliche Informationen zur Funktionsweise von Twine gibt es in der Online-Hilfe. Alle Formatierungs- und Gestaltungsmöglichkeiten sind hier beschrieben. Ich habe unter dem Titel „Absturz im Dschungel“ eine kleine Beispielgeschichte mit vier möglichen Enden erstellt, in der einige der genannten Gestaltungsmöglichkeiten demonstriert werden. Viel Spaß beim Spielen und Gestalten!

Christoph Kaindel Kurzbio
Jahrgang 1966, ist Historiker, Medienpädagoge, Grafiker und Cartoonist und lebt in Gablitz bei Wien. Er war lange beim Wiener Bildungsserver tätig und ist nun selbständiger Vortragender. Als begeisterter Gamer - seit den 80er Jahren - interessiert er sich für alle Aspekte von Videospielen. Seit einigen Jahren beschäftigt er sich mit der Entwicklung von Games in der praktischen Medienarbeit. Gelegentlich arbeitet er als Zombiefilm-Coach oder Kampfchoreograf.
Verfasst am 18.10.2016
Kommentare deaktiviert für Choose Your Own Adventure Teil 2

Zusatzinfos

Pat-O-Meter

Monats-Archiv