“Register for CTRL” – Überwachung am eigenen Leib erfahren!
Die Enthüllungen Edward Snowdens haben nur kurz hohe Wellen geschlagen und sind mittlerweile zu einem konstanten Hintergrundrauschen in den Medien verkommen. Die Medien berichten weiter – ab und zu – aber das Thema “Überwachung” wurde schnell in den Bereich “Netzpolitik” exportiert und ist damit zu einem Nischenthema geworden.
Und trotzdem werden gerade Medienpädagogik und politische Bildung immer wieder von der Dringlichkeit zur Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Überwachung bewegt. Weil wir begriffen haben, dass die Entwicklungen in diesem Bereich unsere Gesellschaft nachhaltig verändern werden, tauchen dieselben grundlegenden Fragen immer wieder auf. Warum interessieren sich die Menschen nicht für den Schutz ihrer Daten? Warum ist es ihnen egal? Warum stehen sie nicht auf und wehren sich gegen die Abschaffung ihrer Rechte? Woher diese Gleichgültigkeit? Luxusproblem hin oder her – vielleicht hilft es, wenn das Thema Überwachung und Datensammlung einmal aus seinem digitalen Kontext gelöst und auf eine analoge Ebene überführt wird?! An dieser Stelle bieten sich Drama Games als Methode fast schon automatisch an. Aus dieser Idee ist mit “Register for CTRL” ein kleines Spiel entstanden, dass dem Themenkomplex die Abstraktion nimmt und einen unmittelbareren Zugang eröffnen soll.
Mini What? Die Schönheit des Erlebens
Bei MiniLARPs handelt es sich um nichts anderes als Kurz-Live-Rollenspiele. Synonym wird mittlerweile auch der Begriff “Drama Game” verwendet.Teilnehmende bekommen, oder gestalten selbst, kurze Rollenprofile (oder haben auch mal gar keine) und werden in eine Szene gestellt, die sie nun spielerisch miteinander ausfüllen und gestalten. Ein MiniLARP hat keine Zuschauer. Alle spielen, keiner guckt zu.
Die Verbindung von Thema und Methode – Das Spiel “Register for CTRL”
“Register for CTRL” ist so konzipiert, dass es auf den Umgang mit Überwachung, Datenschutz und -fragen und Datensicherung aufmerksam machen soll. Im Debriefing, der Nachbesprechung, das nach dem eigentlichen Spiel stattfindet, werden die vielen verschiedenen Ebenen des Lernens offensichtlich. Da dieses Spiel eine emotionale und non-formelle Annäherung an das Thema ist, können viele verschiedene Lernprozesse bei den Teilnehmer_innen ausgelöst werden. Das gesamte Spiel ist als OER Material im Netz verfügbar und kann damit einfach gespielt oder nach Belieben adaptiert werden.
Die Story und der Ablauf des Spiels
CTRL ist ein neues soziales Netzwerk. Das “nächste große Ding” online. Potentielle User des Netzwerks werden zu sogenannten „Register-Conventions“ eingeladen, um sich dann dort für das Netzwerk zu anzumelden. Das CTRL-Netzwerk startet erst, wenn alle zukünftgen User an einem kurzen Registrierungsverfahren teilgenommen haben, in dem ihre Identität aus dem Real Life, also Offline, mit ihrer Online-Identität verbunden wurde. Privatsphäre und Datenschutzstandards sowie technische Details des Netzwerks sind sehr hoch einzustufen. Den Usern wird versprochen, dass all ihre Informationen und Angaben sicher innerhalb des Netzwerks bleiben. Eine Einladung zu einer der sogenannten “Register Conventions“ zu bekommen ist eine große Sache und DAS Thema in all den “traditionellen” sozialen Netzwerken (Twitter, Facebook, etc.). Man munkelt, dass nach einem Registrierungsprozess, eine besondere Art von Interview zu einem komplett neuartigen Profil für die CTRL-Nutzer führen wird.
Das CTRL-Interview
Die Spieler bekommen per Zufall das CTRL-Anmeldeformular eines anderen Users. Der CTRL-Mitarbeiter erklärt dann wie das Interview verläuft. Er lobt den neuen und mutigen Denkansatz und die Herangehensweise. Die Regeln des Interviews sind klar und transparent.
1. Du darfst nicht – unter keinen Umständen – mit der Person reden, die Dein Forschungsziel darstellt.
2. Du hast genau 45 Minuten um so viel wie möglich über die Person auf dem CTRL-Anmeldeformular herauszubekommen.
3. Für die Suche stehen Dir zwei Quellen zur Verfügung: Andere Leute / das Internet.
Nach dem Interview
Der CTRL-Mitarbeiter verkündet das Ende der Interview-Session und bittet die Spieler ihre Such-/ Interview Ergebnisse den rechtmäßigen Besitzern zurück zu geben.
Jeder hat nun ein paar Minuten um seine Ergebnisse des Interviews zu überfliegen. Der CTRL-Offizielle zeigt dann auf zwei Wände. Eine trägt die Überschrift “Privat”, die andere “Öffentlich”. Die Spieler werden nun gebeten, ihre eigenen Interview Ergebnisse an eine der Wände zu hängen. Die Spieler, die sich für “öffentlich” entscheiden, hängen ihre Dokumente sichtbar für jeden an die Wand. Die Spieler, die sich für “privat” entscheiden, heften ihre verdeckt an, so dass die anderen nichts über sie lesen und erfahren können.
Evaluation
Die Evaluation ist der wichtigste Teil eines jeden Drama Games, denn sie hilft den Spielern ihre individuellen Lernprozesse zu entdecken. In der Reflektion wird Bewusstsein geschaffen und für das Thema “Überwachung” sensibilisiert. Unter dem nachfolgenden Link findet ihr ein kahoot, dass als Einstieg in die Evaluation dienen kann.
https://play.kahoot.it/#/k/ab1e23e1-3afd-401a-8e20-735698ae4749
Fazit
Bei jedem Durchlauf stand die Umkehrung des Lern-Systems “Bewusstsein durch Wissen” zu “Wissen durch Bewusstsein” im Fokus. Die spielerische und emotionale Annäherung an die abstrakten Themenkomplexe rund um das Schlagwort “Überwachung” hat in allen Durchläufen funktioniert. Am eigenen Leib zu erleben wie man überwacht und beobachtet wird, noch dazu von einer Person, die man nicht mal kennt, das war für viele eine neue und beängstigende Vergegenwärtigung. Auch die Reflektion des eigenen Online-Verhaltens und der Umgang mit den eigenen Daten wurde in den Debriefing-Einheiten zu einem wesentlichen Fokus der Diskussion.
Im Kontext unserer Arbeit im Europahaus Marienberg war “Register for CTRL” jedesmal der Einstieg in weitere Tage und Sessions zum Thema “Überwachung”. Wir haben festgestellt, dass sich dieses MiniLARP hervorragend eignet, um gleich zu Beginn eines Projektes dafür zu sensibilisieren, dass Die Thematik ganz massiv mit der Lebenswirklichkeit jedes einzelnen Teilnehmenden zu tun hat. Dieses Bewusstsein hat den meisten dabei geholfen, sich an folgenden Tagen auf einem sehr viel persönlicheren und betroffeneren Level mit dem Thema zu beschäftigen.