„Squid Game“ aus Sicht der Medienpädagogik

Szene aus "Squid Game", © Netflix

Ein neuer Hype schwappt durch die Medienwelt: „Squid Game“ feierte am 17. September 2021 Premiere und wurde in wenigen Wochen zur bislang erfolgreichsten Netflix-Serie. Die Produktion zeichnet sich durch ihre dramatische Inszenierung aus und ist daher erst ab 16 Jahren freigegeben, dennoch wurde sie bald auch unter Kindern und Jugendlichen zum Thema. Wie können wir in der Medienpädagogik mit der Thematik umgehen und auf Anfragen besorgter Eltern reagieren? Wir haben das Phänomen aus pädagogischer Sicht beleuchtet.

Worum geht es in der Serie?

Die in Südkorea spielende Serie „Squid Game“ erzählt von 456 Menschen, die alle unter enormen Schulden leiden und am Rande ihrer Existenz stehen. Sie werden eingeladen, vermeintlich harmlose Kinderspiele zu spielen, um sich von ihrer Schuldenlast zu befreien. Dazu werden sie auf eine verlassene Insel gebracht, wo sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit gegeneinander antreten müssen. Als Gewinn winkt ein Preisgeld in Höhe von 33 Millionen Euro. Doch wie die Teilnehmenden selbst erst im Laufe des Spiels herausfinden, ist der Haken an dem Spiel, dass die Verlierer*innen nicht nur ausscheiden, sondern kaltblütig hingerichtet werden. Die Tötungen der Spielenden werden teilweise in expliziten, drastischen Gewaltdarstellungen gezeigt, die der Serie viel Kritik, aber auch Aufmerksamkeit bescheren.

Wie kommen Kinder mit der Serie in Berührung?

Wie wir bereits geschrieben haben, wird „Squid Game“ von Netflix für Zuschauer*innen ab 16 Jahren empfohlen. Dennoch ist die Serie bereits in Grundschulen bekannt, da sich die Kinder über die in der Story behandelten Spiele unterhalten und diese z.T. selbst nachspielen. Einige Kinder haben die Serie wohl auch selbst gesehen, sei es zusammen mit älteren Geschwistern oder aufgrund großzügiger Regelungen ihrer Eltern.

Die einprägsame, knallbunte Ästhetik der Serie hat in kürzester Zeit die globale Popkultur beeinflusst und virale Effekte erzeugt, so dass auf Social-Media-Plattformen wie Instagram und TikTok zahlreiche Fotos und Videos in Anlehnung an „Squid Game“ zu finden sind. Der Hype der vergangenen Wochen führte dazu, dass die Serie im öffentlichen Diskurs vielseitig rezipiert und zitiert wird, so dass Menschen jeglichen Alters damit in Berührung kommen.

Wie sind die Auswirkungen pädagogisch einzuschätzen?

Die extrem brutalen Darstellungen können die Psyche der Kinder beeinträchtigen und zu Verängstigung oder Alpträumen führen. Nicht umsonst gibt Netflix die Altersempfehlung „ab 16 Jahren“ an.

Ein anderer Aspekt, der häufig angeführt wird, ist das Nachspielen von Serienelementen auf dem Schulhof. Hier ist genau zu hinterfragen, was gespielt wird: An sich beruht die Serie auf Kinderspielen, die zwar aus Südkorea stammen, aber z.T. auch in Deutschland bekannt sind. So funktioniert das Spiel „Rotes Licht, grünes Licht“ aus der ersten Episode ähnlich wie das Spiel „Ochs am Berg“: wer sich zu spät noch bewegt, verliert. Insofern ist es zunächst nicht problematisch, wenn diese Spiele von Kindern nachgespielt werden. Wenn jedoch die Verlierer*innen zur Strafe diffamiert oder verprügelt werden, sind Grenzen überschritten, die es wieder herzustellen gilt.

Welche Empfehlungen können wir Eltern geben?

  • Die Serie „Squid Game“ sollte genauso behandelt werden wie andere Medieninhalte, die nicht jugendfrei sind, und sollte jüngeren Kindern nicht zugänglich sein. Wichtig ist dabei, dass die Kinder verstehen, wieso die Serie erst ab 16 Jahren freigegeben ist und wieso diese Regelung konsequent umgesetzt wird. Schließlich möchten Eltern ihre Kinder damit nicht ärgern, sondern schützen.
  • Bekanntermaßen können Verbote auch kontraproduktiv sein. Wenn Kinder die Serie unbedingt ansehen möchten, ist zu befürchten, dass sie dafür eine heimliche Lösung finden. Besser wäre es dann, wenn die Kinder „Squid Game“ gemeinsam mit ihren Eltern sehen (und ggf. vorzeitig abbrechen), um die Handlung anschließend gemeinsam zu besprechen.
  • Generell sehen es die Einstellungsmöglichkeiten von Netflix vor, eigene Accounts für verschiedene Nutzer*innen anzulegen. So können User*innen für ihre Kinder voreinstellen, welche Inhalte ihnen vorgeschlagen werden, während Inhalte für ältere Zuschauer*innen den Kindern nicht verfügbar sind.
  • Als Eltern wie auch als Medienpädagog*innen können wir mit den Kindern über das Phänomen „Squid Game“ ins Gespräch kommen, um herauszufinden, in welchen Zusammenhängen ihnen die Serie begegnet ist. Falls die Spiele auf dem Schulhof nachgespielt werden, sollten die Kinder ein faires Spiel ohne körperliche Gewalt oder Bestrafung daraus machen.
  • Insgesamt bietet der Stoff der Serie durchaus Anlass für eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Ungleichheiten und den Auswirkungen des Kapitalismus. Die Fragen nach Moral und Ethik, die der Story zugrunde liegen, können Ausgangspunkt für eine spannende Diskussion über die Regeln menschlichen Zusammenlebens sein, die im Elternhaus ebenso geführt werden kann wie im Schulunterricht oder im Jugendtreff.
  • Für die medienpädagogische Arbeit liefert speziell die Inszenierung der Story spannenden Gesprächsstoff. Ausgehend von der Serie lässt sich hervorragend über den Sinn von Altersbeschränkungen diskutieren, über die Darstellung von Gewalt, die Faszination von Castings und Wettkämpfen sowie die virale Wucht globaler Medienhypes.

Mehr dazu:

Eine Anleitung für die Jugendschutzeinstellungen bei Netflix liefert die Seite Medien-kindersicher. Weitere medienpädagogische Einschätzungen zu „Squid Game“ gibt es bei unseren Kolleg*innen von Klicksafe.de und SaferInternet.at.

[Ein Beitrag von Björn Friedrich und Felix Höß, SIN – Studio im Netz, München]

Björn Friedrich Kurzbio
Björn Friedrich arbeitet als Medienpädagoge im SIN - Studio im Netz, München, mit den Schwerpunkten Social Media, Games und Jugendpartizipation. Daneben ist er als Referent für Vorträge und Fortbildungen tätig. Mit Tobias Albers-Heinemann schrieb er mehrere Elternratgeber, zuletzt 2018 "Das Elternbuch zu WhatsApp, YouTube, Instagram & Co." (O'Reilly Verlag, Köln). Mit Michael Dietrich und Sebastian Ring veröffentlichte er 2020 den Sammelband "Medien bilden Werte. Digitalisierung als pädagogische Aufgabe" (kopaed, München).
Verfasst am 26.10.2021
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