Die Selbstlernkurse von weitklick – ein Interview

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CC BY-SA weitklick / FSM e.V.

„weitklick“ bezeichnet sich als „Netzwerk für digitale Medien und Weiterbildung“ und bietet neben Informationsmaterialien nun auch ein Fortbildungsprogramm für Fachkräfte zu Desinformation im digitalen Raum an: Selbstgesteuert können diese nun die Materialien mehrerer Online-Kurse zur eigenen Fortbildung nutzen. Judith Kunz managt das Projekt „weitklick“ bei der FSM (Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V.) und hat uns unsere Fragen dazu beantwortet.

Liebe Judith, an wen richten sich Eure Selbstlernkurse bei weitklick und was können Fachkräfte dort lernen?

Unsere Online-Kurse richten sich an Lehrende in weiterführenden und beruflichen Schulen. Sie stehen auf der Webseite aber allen Interessierten unter einer freien Creative Commons Lizenz (CC-BY-SA 4.0) offen und kostenfrei zur Verfügung und können ohne Vorkenntnisse durchgeführt werden.

Die Kurse fokussieren sich inhaltlich auf das Thema Desinformation im digitalen Raum – also auf Falschnachrichten, Verschwörungsmythen und propagandistische Inhalte online. Denn Jugendliche und junge Erwachsene stoßen insbesondere seit Beginn der Corona-Krise immer häufiger auf Desinformation im Netz. Sie sind auf Lehrkräfte angewiesen, die ihnen im Schulunterricht Anknüpfungspunkte anbieten, um Mediennutzungsverhalten reflektieren zu lernen, Wirkungsweisen von Desinformation zu erkennen und Strategien dagegen zu entwickeln. Mit unseren Kursen möchten wir Lehrende bei dieser Aufgabe unterstützen.

Um das Thema Desinformation einordnen zu können, ist es aus unserer Sicht aber auch wichtig, zunächst ein Verständnis für Medienbildung allgemein und die mit Desinformation zusammenhängenden Hintergründe zu schaffen. Im ersten Schritt muss geschaut werden, wie die strukturellen Veränderungen des Medienmarktes und eine  veränderte Mediennutzung zusammenhängen. Welche Medien werden wie und warum genutzt? Wo treffen Jugendliche auf Desinformation? Welche Medien und Medieninhalte nutzen sie? Welche Funktionen haben Medien für sie?

In einem weiteren Schritt muss analysiert werden, wie und warum sich Meinungsbildung im digitalen Raum verändert hat. Wer bekommt Aufmerksamkeit und warum? Wer bietet Orientierung? Was hat das mit dem Nebeneinander von journalistischen und nicht-journalistischen Akteur*innen zu tun? Wie bilden sich Jugendliche heute ihre Meinung im digitalen Raum und an welchen Stellen sind sie dabei mit Desinformation konfrontiert?

Dies führt zur Frage, wie Desinformation entsteht und welche Funktionen sie hat. Welche Formen von Desinformation gibt es und was hat das mit falschen oder gefälschten Nachrichten, Verschwörungsmythen und extremistischen und propagandistischen Inhalten zu tun? Und wie verbreitet sich Desinformation?

Nicht zuletzt braucht es Wissen, wie Desinformation erkannt und ihr begegnet werden kann. Wo und wie kann Desinformation in medialen Zusammenhängen auftauchen? Welche Möglichkeiten gibt es, um Informationen oder Bildmaterial zu prüfen?

Recherchemethoden, Bewertungsraster für Informationen, die Anwendung von Fact-Checking-Tools und Bilderrückswärtssuchen sowie die Kenntnis journalistischer Qualitätskriterien und Darstellungsformen sind dabei wichtige Grundlagen und Instrumente.

Unsere Online-Kurse  bieten Lehrkräften zu all diesen Aspekten umfangreiche Informationen, Aufgaben und Videos. Jeder Kurs besteht aus jeweils zwei Modulen, die thematisch aufeinander aufbauen, sie können entlang der individuellen Bedürfnisse bearbeitet werden. Darüber hinaus finden Lehrende bei uns auch eine Sammlung an thematisch passenden Unterrichtsmaterialien, die nach Fächergruppen und Schulformen filterbar ist, sowie daran anknüpfende Webinare und Veranstaltungen.

Wie wird Euer Angebot bisher genutzt und angenommen?

Wir sind ein noch junges Angebot, die ersten Kurse stehen seit Mai 2020 zur Verfügung. Unsere Zugriffszahlen steigen kontinuierlich und zeigen, dass die Nutzer*innen lange auf der Webseite verweilen. Auch das Feedback zu den Kursen zeigt, dass sich die User*innen wirklich Zeit nehmen, um die einzelnen Inhalte zu bearbeiten.

Auch unser Webinar-Angebot ist auf gute Resonanz gestoßen. Seit dem Start des Projekts haben wir vier Webinare zum Thema Desinformation durchgeführt: Bisher haben Simone Rafael (Amadeu Antonio Stiftung), Karolin Schwarz (freie Journalistin und Faktencheckerin), Andre Wolf (Mimikama) und Katharina Nocun (Co-Autorin “Fake Facts – Wie Verschwörungstheorien unser Denken beeinflussen”) Einblicke in die verschiedenen Aspekte und Wirkungsweisen von Desinformation im digitalen Raum gegeben. In diesen Webinaren sind viele spannende Diskussionen entstanden und wir haben sehr positives Feedback erhalten.

Die Aufzeichnungen der Webinare sind jederzeit auf der Webseite [2] verfügbar. Wir werden auch in Zukunft weiter regelmäßig Webinare anbieten.

Ihr plant auch wieder Präsenzangebote durchzuführen, bis dahin plant Ihr – das Projekt läuft noch zwei Jahre – Webinare anzubieten. Wo finden sich die Termine und was erwartet die Teilnehmer/innen?

Alle Termine für zukünftige Webinare sind auf unserer Webseite oder in unserem Newsletter zu finden.

Generell gilt, dass unsere Webinare thematisch an die Online-Kurse anschließen und auf die Zielgruppe der Lehrkräfte ausgerichtet sind, also einen starken pädagogischen Fokus haben. Als kostenfreies Angebot stehen sie allen Interessierten offen.

Die Struktur der Webinare variiert je nach Thema und Dozent*in, aber es gibt immer einen Input zu einem der Projektthemen und Zeit für offene Diskussionen oder interaktive Übungen.

Damit Lernende ihren Lernstand abspeichern können, sollten sie sich für den Kurs registrieren. Bekommen Lernende auch eine Teilnahmebestätigung?

Ja, wir stellen ein Zertifikat aus. Darauf sind Name, Datum und die Bearbeitungsdauer der absolvierten Online-Module vermerkt. Um ihren Lernfortschritt zu speichern und ein Zertifikat zu erhalten, müssen sich die Teilnehmenden zunächst auf unserem Portal kostenlos registrieren.

Das Zertifikat erhalten die Teilnehmenden, sobald sie mindestens sechs Online-Module auf unserer Plattform abschließen (das entspricht einer Gesamtbearbeitungsdauer von ca. drei Stunden) und darüber hinaus ein Webinar oder eine Veranstaltung bei uns besuchen. Alternativ können sie uns auch ein selbst erstelltes Unterrichtsmaterial zur Verfügung stellen.

Davon unabhängig können alle Teilnehmenden für Veranstaltungen oder Webinare eine Teilnahmebestätigung bei uns erhalten.

Ausschlaggebend für unser Projekt ist die Grundannahme, dass einzelne kurze Tutorials beim Thema Desinformation auf lange Sicht nicht ausreichen: Damit eine nachhaltige Integration dieses Themas in den Unterricht gelingen kann, braucht es eine langfristige Förderung von Medien-, Nachrichten- und Informationskompetenz. Mit unserem Blended-Learning-Fortbildungsprogramm – bestehend aus Online-Kursen, Unterrichtsmaterialien, Webinaren und Vor-Ort-Veranstaltungen – möchten wir dazu eine Vielfalt an unterschiedlichen Angeboten machen.

Alle Materialien habt ihr unter der offenen Lizenz CC BY-SA zur Verfügung gestellt – ihr ladet also zur Weiternutzung ein. Welche Erwartungen und Erfahrungen habt ihr damit bereits gemacht?

Wir arbeiten bei weitklick eng mit unserem Projekt “Medien in die Schule” zusammen, das Lehrenden bereits seit 2013 Unterrichtsmaterialien und thematische Sammlungen digitaler Anwendungen und Tools für die Medienbildung in der Schule bereitstellt. Auch dort stehen die bereitgestellten Inhalte als Open Educational Resources (OER) unter einer freien Creative Commons Lizenz (CC BY-SA 4.0) zur Verfügung und können entsprechend der Lizenzbedingungen beliebig eingesetzt, angepasst und weiterverbreitet werden. Wir möchten Lehrerenden und pädagogischen Fachkräften mit den offenen Unterrichtsmaterialien ermöglichen, diese möglichst individuell an ihre Bedürfnisse und die ihrer Schüler*innen anzupassen, sich basierend auf dem Angebot ihre ganz eigenen Materialien zu gestalten und diese aber auch – ganz im Sinne von OER – wiederum mit der pädagogischen Community zu teilen und so auf die Themen und Inhalte aufmerksam zu machen. Dies gilt so genauso auch für weitklick. Als gemeinnütziger Verein möchte die FSM auf diesem Weg auch einen konstruktiven Beitrag dazu leisten, Medienbildung im Unterricht und der außerschulischen (Medien)Pädagogik zu aktuellen Themen zu unterstützen.


Sandra Schön Kurzbio
ist Senior Researcher bei Salzburg Research (Abt. InnovationLab), leitet regelmäßige Praxisprojekte beim BIMS e.V., studierte Pädagogik, Psychologie und Informatik an der LMU München (M.A./Dr. phil.). Interessensschwerpunkte: Offene Bildungsressourcen (OER), Lernvideos, Videoarbeit, Maker Movement, Partizipation. Mehr im Weblog: http://sandra-schoen.de.
Verfasst am 13.10.2020
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