Medienarbeit und Inklusion – was Ernst Tradinik mit Menschen und Medien macht

CC BY SA Na (ja) Genau / Ernst Tradinik

Ernst Tradinik aus Österreich arbeitet seit vielen Jahren mit „Menschen und Medien“. Was daran besonders ist: Junge Erwachsene mit Behinderung sind bei der Erstellung eingebunden – bei Kamera, Mikro, Interview und der Gestaltung der Videoreihe „NA (JA) GENAU.“ Die Produktionen erscheinen u.a. in der Oktothek und sind dort frei zugänglich: Da wollten wir doch einmal nachfragen…

Praxisblog: Seit wann arbeiten Sie mit jungen Erwachsenen mit Behinderungen und Medien und wie kamen Sie zu diesem besonderen Arbeitsfokus?

Ich arbeite seit 25 Jahren als Betreuer. Und noch länger mit elektronischen Medien, also Video und Radio. Die Kombination dieser Bereiche, die mir zunächst gar nicht so logisch erschien, erfolgte erstmal 2003 bei einem Workshop einer Freundin, die als bildende Künstlerin mit Menschen mit (Lern-) Behinderung arbeitete. Damals  wurde ich als Radio- und Videomacher zu einem von ihr  veranstalteten Workshop eingeladen und da sah ich erstmals die Möglichkeiten, die dies in sich birgt.

2008 schrieb ich dann das Konzept und die Überlegungen für die audiovisuelle Arbeit mit Menschen mit (Lern-)Behinderung/en. 2009 dann als Auftrag beim Verein LOK umgesetzt, gemeinsam mit Alfred Wetzelsdorfer, Ergebnis ist derFilm „LOKvögel, Fische & Schmetterlinge„. Seit 4 Jahren mache ich gemeinsam mit Marcell Vala, Stefan Jaindl, Marko Schrott u.a die TV Sendung NA (JA) GENAU, die intelligente humorvolle TV Sendung. 2015 machten wir die Hommage an den Italowestern, 5 vor 12.

Also zurück zur Frage 😉 2003 hatte ich wohl erstmals die Idee, diese beiden Bereiche zu verbinden. Es lag dann auch auf der Hand. Die Möglichkeiten, selbst bzw billig zu produzieren und dass natürlich Menschen mit(Lern-) Behinderung/en dieselben Wünsche und Interessen haben wie alle anderen auch. Somit also auch Arbeit vor und hinter der Kamera. Bzw. nun auch schon vor oder hinter dem Handy 😉 Und seit letztem Jahr, darüber freue ich mich besonders, bieten wir dies auch auf der Fachhochschule in St. Pölten an, für SozialpädagogInnen im Fach „inklusive Medienarbeit“.

Praxisblog: Was unterscheidet Ihre Arbeit von der Medienarbeit mit Kindern und Jungendlichen? Gibt es Besonderheiten, die Sie Nachahmer/innen auf den Weg geben möchten?

Der Unterschied zu Kindern und Jugendlichen sind die anderen Fähigkeiten. Ob nun die Sprache, Spracherwerb, die motorischen Fähigkeiten, also was brauche ich an zum Beispiel Hilfsmittel, um ein technisches Gerät bedienen zu können. Ich glaube aber, dass mein Hauptfokus der ist, der so schwer messbar oder feststellbar ist. Das Sehen, dass Fernsehen bzw. Radio völlig normal sein kann, wenn es von Menschen mit (Lern-) Behinderung/en gestaltet wird.

Also man sollte seine eigenen Sehgewohnheiten von Fernsehen völlig vergessen, alles was einem so vorgesetzt werden, und mutig eigenes TV entwickeln bzw entwickeln lassen. Ganz nach den Wünschen und Fähigkeiten der Menschen, mit denen ich arbeite. Vielleicht ist das ein Unterschied zur Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Das Defizit orientierte Denken bzw Schauen ausschalten. Weg damit!  Auch wenn nun sofort alle – so auch ich – sagen werden, das habe ich sowieso nicht. Ich glaube, das stimmt nicht bzw, ist immer wieder genauest zu überprüfen. Leicht gesagt, schwer getan, finde ich persönlich immer noch.

Praxisblog: Worin sehen Sie Chancen der inklusiven Medienarbeit?

Inklusive Medienarbeit bietet große bzw sehr normale Möglichkeiten.

1. Die offensichtlichste ist die Öffentlichkeit, welche Menschen mit (Lern-) Behinderung/en erreichen können. So können sie sich präsentieren, sich verständlich machen, das „Bild“ von Menschen mit (Lern-) Behinderung/en korrigieren.

2. Inklusive Medienarbeit bietet Möglichkeiten zur Persönlichkeitsentwicklung. Was möchte ich? Wo ist mein Platz? Stehe ich gerne vor oder hinter der Kamera? Darf ich das? etc. Ist es in Ordnung, so wie ich spreche? Kann ich bzw möchte ich etwas verändern? Üben? Bekomme ich dadurch (erst) Lust, mich auszudrücken, zu kommunizieren?

3. Und inklusive Medienarbeit kann auch Arbeitsplätze schaffen. Ob nun am ersten Arbeitsmarkt oder auch im unterstützten Arbeitsmarkt. Sinn macht beides, würde den betroffenen Menschen und der Gesellschaft viel bringen.

Praxisblog: Herzlichen Dank und weiterhin viel Spaß und Erfolg!

Sandra Schön Kurzbio
ist Senior Researcher bei Salzburg Research (Abt. InnovationLab), leitet regelmäßige Praxisprojekte beim BIMS e.V., studierte Pädagogik, Psychologie und Informatik an der LMU München (M.A./Dr. phil.). Interessensschwerpunkte: Offene Bildungsressourcen (OER), Lernvideos, Videoarbeit, Maker Movement, Partizipation. Mehr im Weblog: http://sandra-schoen.de.
Verfasst am 27.03.2018
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