Grundlagen und Anwendung der Radioproduktion

radioQ

© Johann Hinrichs Fotografie

Das Projekt “Kompaktausbildung” ist eingebettet in die tägliche Programmerstellung des Campussenders Radio Q und findet dort pro Semester einmal statt. Weiter unten soll diskutiert werden, wie durch Modifikation die Vorteile dieses Projekts genutzt werden können, ohne dass die Infrastruktur eines Campussenders zwingend nötig ist.

Vorbereitend sollten die Teilnehmenden über Organisatorisches, wie Termine, Ablauf oder  Räumlichkeiten, informiert werden. Vorerfahrungen benötigen die Teilnehmenden keine. Im Vordergrund des Projekts steht das Lernen durch Handeln. Wenn den Teilnehmern nur erzählt wird, wie toll die Radioproduktion doch ist, welche außergewöhnlichen Möglichkeiten sie besitzt und wie viel Spaß sie macht, wird es sie wohl kaum mitreißen. Lust und Begeisterung kommen beim Machen. Ebenso können die Trainer vermitteln, dass das Mikrofon niemals aus der Hand gegeben werden darf und man während der Antwort des Interviewpartners still sein muss.

Der nachhaltige Lerneffekt entsteht aber erst dann, wenn die Teilnehmer mit unbrauchbaren O-Tönen vom Interviewtermin in die Redaktion zurückkommen und sich beim Material sichten schwarz ärgern. Die Kompaktauszubildenden unterstützen jeweils an einem Tag in der Woche die dreistündige Morgensendung bei Radio Q.

Im Wesentlichen umfassen die Aufgaben das Texten und Präsentieren von Nachrichten, den Umgang mit dem Schnittsystem „Cutmaster“ und dem Redaktionssystem „DABIS“, sowie das Produzieren von Beiträgen mittels verschiedener journalistischer Darstellungsformen. Dabei bauen die Ausbildungsinhalte aufeinander auf. Pro Woche sind die Kompaktis etwa einen halben Tag im Sender, arbeiten darüberhinaus aber auch an ihren Beiträgen.

Innerhalb der insgesamt achtwöchigen Kompaktausbildung durchlaufen die Studierenden also verschiedene  Lern- und Handlungsprozesse. Die dafür notwendigen Kenntnisse bekommen sie vorbereitend in zwei Basisworkshops vermittelt. An einem kompletten Workshoptag erlernen die Teilnehmer technische Grundlagen und KennTeilnehmendenisse für die Beitragsproduktion. In einem weiteren etwa dreistündigen Workshop bekommen sie wichtiges für die Nachrichtenerstellung vermittelt. Während die ersten vier Tage weitgehend vormittags erledigt werden, sind die Kompaktauszubildenden im weiteren Verlauf flexibler und können sich ihre Zeit frei einteilen, solange sie die zu erfüllenden Aufgaben rechtzeitig bewältigen. Betreut werden sie dabei von den jeweiligen Tagesredakteuren. Betreuer und Auszubildende erhalten ein Handbuch, welches die Arbeitsabläufe und Aufgaben detailliert beschreibt.

Im Anschluss an jede Sendung findet eine Feedbackrunde statt, in der die Leistung der Mitarbeiter besprochen und reflektiert wird. Hier stehen vor allem die Qualitätssicherung, das Entwicklungspotential und die Wertschätzung der Beiträge im Vordergrund. Enorm wichtig für das Feedback ist die strikte Trennung zwischen Person und Produkt, sowie das richtige Maß zwischen Qualitätssicherung und Entwicklungspotential. Den Kompaktauszubildenden wird insgesamt also nicht nur das Gefühl gegeben, an etwas

Wichtigem mitzuwirken, sondern sie sind tatsächlich ein wichtiger Bestandteil für das Gesamtprodukt „Morgensendung“. Als Präsentation für das Projekt eignet sich zum Beispiel ein Zusammenschnitt der entstandenen Audio-Produkte gepaart mit kurzen Umfragen an die Teilnehmenden zum Projekt.

Inhaltliche Beschreibung der Basis-Workshops

Im vorbereitenden Workshop Technik und Beitragsproduktion geht es zunächst einmal darum, eine gewisse Haltung gegenüber der Radioproduktion zu vermitteln. Die Teilnehmer sollen sich der Verantwortung gegenüber dem Hörer und dem Interviewten, sowie der Unterschiede in der zeitlichen Wahrnehmung und dem Radio als just-in-time-Medium bewusst werden. Darüber hinaus erhalten die Kompaktis einen Einblick in das Audioschnittprogramm „Cutmaster“. Die wichtigsten Schnittfunktionen für die Produktion werden hier erläutert. Zudem wird vermittelt, welche Bestandteile einer Aufnahmesequenz verändert werden dürfen, ohne dass dabei die journalistisch korrekte Darstellung beeinträchtigt wird.

Dieser Workshop ist nur durch eine Veranschaulichung seiner Inhalte in der Praxis und damit im Aufnahmestudio selbst sinnvoll. Grundsätzlich gilt: Nach der Erläuterung der wichtigsten Funktionen in der Theorie sprechen die Teilnehmer selbst ein und schneiden die Sequenzen, um sich in der Schnitttechnik praktisch auszuprobieren. Zusätzlich erfolgt eine Einweisung für den Umgang mit den redaktionseigenen Aufnahmegeräten. Außerdem erhalten die Mitarbeiter einen Einblick, welche verschiedenen journalistischen Darstellungsformen existieren, wie sich diese unterscheiden und für welche Zwecke diese geeignet sind. Primär liegt das Augenmerk dabei auf gebauten Beiträgen, Kollegengesprächen sowie Reportagen und Interviews, da diese Formen am häufigsten im Radio Q Programm vorkommen.

Dabei sind verschiedene Aspekte zu beachten: So unterscheiden sich beispielsweise die Rollen und damit auch die Sprechweisen des Redakteurs je nach Inhalt und Darstellungsform. Welche Fragetypen sind der Interviewführung dienlich? Welche Sichtweisen und Ansprechpartner sind für die Bearbeitung eines Themas relevant? Wie werden Informationen recherchiert und abgesichert? Dies sind beispielhafte Fragen, die innerhalb des Workshops beantwortet werden. Dies erfolgt auch hier wieder durch eine Kombination aus Theorie und Praxis. So werden bereits erstellte Radiobeiträge vorgespielt, die anhand von vorab erklärten Qualitätskriterien beurteilt werden sollen. Ein weiterer Bestandteil ist die Vermittlung der wichtigsten Regeln beim Schreiben für den Hörfunk, die im Nachrichtenworkshop nochmals praktisch vertieft werden.

Zur Vorbereitung auf die Beitragserstellung wird großen Wert darauf gelegt, dass die Teilnehmer die Notwendigkeit und den Wert der Themenfokussierung begreifen. Zum Abschluss des Workshops sollen sich die Teilnehmer ein Konzept und die Vorgehensweise für einen möglichen Beitrag überlegen und anschließend im Plenum vorstellen. Dabei geht es zum einen um den Themenfokus: Was soll der Hörer aus dem Beitrag miTeilnehmendenehmen? Zum anderen geht es darum, mögliche Interviewpartner ausfindig zu machen sowie die Struktur und den Aufbau zu planen.

Im Nachrichtenworkshop erlernen die Kompaktis die wichtigsten Grundlagen des Nachrichtenjournalismus und sollen sich der Rolle des Nachrichtenredakteurs bewusst werden. Ihnen wird vermittelt, welche inhaltlichen Aspekte beim Schreiben einer Nachricht berücksichtigt werden müssen. Darüber hinaus soll ein Bewusstsein über Nachrichtenfaktoren erweckt werden. Bei der Frage danach, wann Nachrichten berichtenswert sind, spielen Kriterien wie Aktualität, Relevanz, Öffentlichkeit, Kontinuität und Originalität eine wichtige Rolle.

Weiterhin erhalten die Mitarbeiter Informationen über den richtigen Aufbau und Schreibstil einer Nachricht. Diese muss sowohl hörerfreundlich als auch im Sinne der journalistischen Objektivität neutral und glaubwürdig sein. Welche Quellen und Zitate verwendet werden dürfen und wie diese einzuarbeiten sind, ist ein weiterer Inhalt des Workshops. Zusätzlich erlernen die Mitarbeiter, wie Originaltöne oder ergänzende Hintergrundinformationen in eine Nachricht einzubauen sind. Der Nachrichtenworkshop enthält Theorie- und Praxisanteile.

Die Teilnehmer bekommen mithilfe von Handouts und durch mündliche Präsentation Informationen vermittelt, werden aber ebenso mit einbezogen. So erhalten die Teilnehmer bereits geschriebene Nachrichten und sollen diese nach ihrer Qualität beurteilen. Zudem werden im zweiten Teil des Workshops selbst Nachrichten recherchiert, geschrieben und eingesprochen. Mittels dieser beiden Workshops sollten die Kompaktauszubildenden gut für die anstehenden Aufgaben gerüstet sein. Trotzdem befindet sich die Kompaktausbildung in einem ständigen Prozess der Weiterentwicklung. Um dies zu garantieren, findet beispielsweise im Anschluss an die Workshops sowie nach der Ausbildung eine anonyme Evaluation statt, in der unter anderem die Ausbildungsqualität und die Zufriedenheit abgefragt werden. Dies wird dann bei der Ausgestaltung des zukünftigen Lehrangebots berücksichtigt.


Zielgruppe

  • Fachkäfte
  • Studierende (Altersgruppe etwa zwischen 18 und 30 Jahren)

Eingesetzte Medien

  • Audio
  • Web

Ziele

  • Reflexion
  • Exploration
  • Artikulation

Varianten, Erweiterungen, Modulationen

Logischerweise steht bei der Durchführung von Medienprojekten die Infrastruktur eines Campusradios mit einer eigenen Frequenz und einem täglichen Sendebetrieb nur selten zur Verfügung. Zur Motivationsförderung sollte bei abgewandelten Projekten das Ziel aber weiterhin die Ausstrahlung der selbst erstellten Beiträge sein (sei es zum Beispiel im Bürgerfunk oder auf einer eigenen Podcast-Seite). Die Basis-Workshops sollten immer vorbereitend stattfinden, um die Teilnehmenden auf die grundlegenden Anforderungen vorzubereiten. Danach sind viele Variationen denkbar.

Beispielsweise könnten die Teilnehmenden direkt mit der Produktion eigener Beiträge beginnen. Zwei Produktionstage (z.B. ein pro Woche) sollten dafür ausreichend sein. Die Rechercheinterviews sollten sie nach Möglichkeit unterhalb der Woche führen (alleine wegen der Terminabsprache mit den InterviewparTeilnehmendener). An einem weiteren Tag (ggf. zwei) könnten die Teilnehmenden dann aus diesen Beiträgen eine Magazinsendung erstellen. Die Aufgabenverteilung könnte dabei durch die Organisation einer Redakation strukturiert werden und nach Interessen erfolgen (CvD [Sendeplanung, Beitragsabnahme, Öffentlichkeitsarbeit], Musikredaktion, Moderation etc). In die Sendungsproduktion sollte immer ein vom Trainer professionelles Feedback stattfinden. Für die Magazinerstellung sind weitere Variationen denkbar: Beispielsweise die Produktion unter Live-Bedingungen oder die Aufgabe eine Zielgruppe zu definieren und zu berücksichtigen.

Grundsätzlich kann das Projekt mit leichten Anpassungen im jugendlichen und erwachsenen Bereich mit den verschiedensten Zielgruppen durchgeführt werden.

Tipps & Tricks

Die kompakte Struktur der Ausbildung dient der umgehenden Anwendung des Wissens, so dass die Teilnehmer in kurzer Zeit die praktische Radioarbeit anwenden und häufig Spaß daran gewinnen. Das hohe Potential der Kompaktausbildung liegt darin, dass gleichzeitig fachliche, soziale, methodische und persönliche Kompetenzen innerhalb der Radiovermittlung gefördert werden und den Lernenden dadurch die Möglichkeit gegeben wird sich ganzheitlich zu entwickeln. Überraschend ist dabei immer wieder, welche hohe Motivation die TEILNEHMENDEN mitbringen und welche großartigen Produkte dabei entstehen.

Besondere Vorteile der Kompaktausbildung bei Radio Q:

  • Transparenz
  • angemessenes Anspruchsniveau
  • intensive Betreuung und Orientierungshilfen
  • Spaß und Gemeinschaftssinn
  • flache Hierarchien und Aufstiegsaussichten
  • Variation der Vermittlungsmethodik
  • kreative Freiheit & Berücksichtigung der Interessen
  • Reflexion und Feedback
  • technische Ausstattung
  • situative Authentizität

Schwierigkeiten

Schwierigkeiten liegen beispielsweise in der universitären Struktur und der damit verbundenen hohen Prüfungsbelastung der Studierenden. Teilweise kann es dadurch zu zeitlichen Problemen bei den Studierenden bei der Bewältigung der Aufgaben kommen. In diesen Fällen ist Flexibilität und Gesprächsbereitschaft gefragt, um die Teilnehmenden nicht vollständig zu demotivieren.

Medienrechtliche Probleme (v. a. Urheberrecht) sollten, gerade in der Produktionsphase, thematisiert werden. Denn auch wenn die Teilnehmenden durch Fehler lernen, sollte gleich zu Beginn auf eine rechtlich unproblematische Arbeitsweise geachtet werden. Desweiteren sollte besonders eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen journalistischen Haltung gefördert werden.

Feedback

Die Kompaktausbildung wird in der Regel von den Teilnehmenden sehr gelobt. Oft wird erwähnt, dass sie das “Radiofieber“ gepackt hat. Besonders die Kombination aus theoretischer Wissensvermittlung und praktischer Erfahrung kommt bei den Teilnehmenden sehr gut an. Einzelne Wünsche sind oft mit speziellen Interessen verbunden, häufiger hingegen wird die Integration eines Sprechtrainings gewünscht.


Checkliste

  • Räumliche Rahmenbedingungen: Workshop-Raum mit der Möglichkeit an ca. zehn PCs zu recherchieren und Audio-Beiträge zu produzieren
  • Aufnahme- und Sendestudio („notfalls“ Aufnahme mit den Aufnahmegeräten)
  • Zeitliche Rahmenbedingungen: Etwa ein bis zwei Tage pro Woche über einen Zeitraum von acht Wochen
  • Gruppengröße: Die Gruppengröße für die gesamte Fortbildung ist auf zehn Teilnehmende begrenzt, die Basis-Workshops finden mit maximal zehn Teilnehmenden statt.
  • Hard- und Software: etwa drei bis vier Audio-Aufnahmegeräte, PCs mit einem Audio-Schnittprogramm (kostenlos z. B. Audacity)
  • weitere obligatorische und nützliche Materialien: Handbuch für die Tagesredakteure zur Betreuung der Kompaktauszubildenen

About

Stephan Niemand
Radio Q e.V.
stephan.niemand@radioq.de
www.radioq.de

Radio Q, das Campusradio für Münster und Steinfurt, ist sowohl Ausbildungsradio als auch journalistisches Medium. Als Ausbildungsradio vermittelt Radio Q journalistische Kompetenzen  und ermöglicht so allen Studierenden der Münsterschen Hochschulen insbesondere im Hörfunkbereich journalistisches Arbeiten zu erlernen. Als journalistisches Medium berichtet Radio Q aus studentischer Perspektive über die Hochschulen und über die Lebenswelt von Studenten.

Bei Radio Q habe ich selbst die Kompaktausbildung mitgemacht und danach ein halbes Jahr lang einen Tag der Morgensendung betreut. Im Anschluss daran war ich dort 20 Monate als 2. Vorsitzender tätig und war  dann als Qualitätsbeauftragter für die Einführung eines Qualitätsmanagements zuständig (QMB). Aktuell gebe ich als NRW-Medientrainer bei Radio Q nur noch vereinzelt Workshops und konzentriere mich vorwiegend auf mein Studium (Kommunikationswissenschaft).

Verfasst am 22.12.2012
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