KI und Schreibprozesse an Schulen/Hochschulen

Menschen können kostenlose oder zu bezahlende KI-Programme nutzen, um sich Texte produzieren zu lassen. Im Journalismus kommt dies bereits zum Einsatz. Auch Schüler:innen, Studierende oder wissenschaftlich tätige Personen könnten diese Möglichkeit nutzen, um eine schriftliche Arbeit (oder Teile davon) ohne grossen Zeitaufwand zu erstellen. Die Möglichkeiten der KI werden immer differenzierter – auch im Bereich Bildproduktion (vgl. Tagesanzeiger Spezialthema KI 14.11.2022).

Aus medienpädagogischer und medienethischer Perspektive stellt diese Situation eine Herausforderung dar. Lesende müssen sich bei jeder Lektüre der Möglichkeit bewusst sein, mit Texten aus „Maschinenhand“ konfrontiert zu sein. Medienkritik ist in diesem Kontext wichtiger denn je. Was passiert mit wichtigen Lernprozessen, die durch das Schreiben ermöglicht werden können, wenn KI-Systeme benutzt werden (Reflexion und Selbstreflexion erfahren, kritisches Denken und Dialektik lernen, wissenschaftliches Denken lernen, Selbstwirksamkeit erfahren bei der Produktion ästhetischer Texte)? Wie ist das Phänomen aus ethischer Perspektive zu betrachten, wer darf z. B. bei einem KI-Text Autorenschaft beanspruchen? Kann man KI-generierte Texte mit Schulnoten bewerten oder sie als Qualifikationsarbeiten anerkennen?

Was bedeutet diese Entwicklung für Schulen und Hochschulen? Chris Stokel-Walker (2022) stellt in «nature» die Frage: «should professors worry?»

Auf der Seite https://beta.openai.com/playground kann ein Text zum Thema generiert werden:

„As technology advances, the use of Artificial Intelligence (AI) to automate tasks is becoming increasingly prevalent. One of the tasks that AI is being used to automate is writing. AI-powered writing services are being used by students to get texts written without having to do the work themselves. This is an issue because students may be cheating themselves out of valuable writing experience. Writing is a skill that needs to be developed over time and practice. While AI can generate text, it cannot provide the same meaningful experience that comes with learning how to develop an argument and express oneself effectively. For students, the best strategy is to learn how to write for themselves. By learning the fundamentals of writing and practicing regularly, students will be able to build their skills and gain a greater understanding of the written word.“ (14.12.2022, https://beta.openai.com/playground, Eingabesatz: “write a text about the problem that students might use AI to get texts written instead of writing themselves”).

Alex Rickert, Leiter des Schreibzentrums an der PH Zürich gibt in der Zeitschrift „Akzente“ zu bedenken:

«Das System weiss nicht, ob eine Quelle vertrauenswürdig und die Fakten korrekt sind. So generiert GPT-3 potenziell auch Fake News. Im Unterschied zu Menschen gelingt es Maschinen nicht, relevante und wichtige Informationen von irrelevanten und unwichtigen zu unterscheiden. Schulen sind also weiterhin stark gefordert. Keinesfalls kann das Schreiben den Maschinen überlassen werden» (Rickert 2022, S. 9).

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Philipp Wampfler plädiert auf dem Blog Schule Social Media dafür, in Schulkontexten den kompetenzen Umgang mit KI-Tools zu vermitteln: «Wer also Schüler*innen an Aufgabenstellungen arbeiten lässt, sollte keine Angst davor haben, dass sie GPTChat dafür nutzen – sondern sie einladen, es tatsächlich auch zu tun. Die wahre Arbeit beginnt erst danach. KI-Tools sind eine Realität, Menschen nutzen sie für ihre Arbeit. Schüler*innen müssen lernen, kompetent damit umzugehen – nicht Verbote zu umgehen. Auch dabei würden sie lernen, wie die Tools funktionieren – nur würden diejenigen bestraft, die es noch nicht verstanden haben…»

Die folgenden Fragen sollen anregen, die Entwicklung kritisch zu beurteilen und aktiv mitzugestalten:

  1. Wie verändert sich das wissenschaftliche Schreiben an Hochschulen durch KI?
  2. Was könnten Chancen der KI im Kontext von Schreibprozessen darstellen?
  3. Kann KI die Schreibberatung unterstützen?
  4. Wie verändert sich Schreibberatung durch die Möglichkeit von KI?
  5. Was würde passieren, wenn man gar nicht auf die Entwicklung reagieren würde?
  6. Könnte es passieren, dass das Schreiben von wissenschaftlichen Arbeiten an Hochschulen abgeschafft und durch andere Formen der Qualifikation ersetzt wird?
  7. Muss man legale vs. nicht legale Formen der KI-Unterstützung unterscheiden (vgl. Doping im Sport)? Was wären legale Formen, was wären nicht legale Formen?
  8. Ist folgende Unterscheidung notwendig: Ganze Texte schreiben lassen durch KI vs. sich bei Schreibblockaden einen Einstieg produzieren lassen durch KI?
  9. Wird es notwendig, dass Studierende an Hochschulen in einer vorgegebenen Zeit Texte ohne Zugang zum Internet schreiben?
  10. Kann man Studierenden im Rahmen einer Schreibsituation an der Hochschule eine Auswahl von wissenschaftlichen Fachartikeln zur Verfügung stellen mit dem Auftrag, sie vor Ort ohne Zugang zum Internet zu einem kleinen Wissenschaftlichen Artikel zu verarbeiten?
  11. Ist KI-Nutzung eine Sonderform des Plagiats (KI bezieht sich indirekt auf andere Arbeiten, ohne es auszuweisen)?
  12. Braucht es eine Kennzeichnungspflicht für KI-Nutzung in wissenschaftlichen Arbeiten von Studierenden?
  13. Wem gehören Texte, die eine KI produziert bzw. die mit Hilfe einer KI entstanden sind? Braucht es eine Ko-Autorenschaft: «(Müller & KI 2022)»?
  14. Ist ein Verbot von KI-Nutzung notwendig? Kann es kontrolliert und sanktioniert werden?
  15. Kann ein sinnvoller Umgang mit KI-Systemen vermittelt werden (vgl. Döbeli Honegger 2023, S. 3)?
  16. Sollen Lernende KI einsetzen und sie als Quelle angeben, so wie man einen Bezug zu Literatur bisher auch angegeben hat (vgl. Wampfler 2022)?
  17. Gibt es (irgendwann) eine Technologie, die KI-Nutzung überprüfen kann? (vgl. Plagiatssoftware?)
  18. Wie ist mit der Gefahr von «fake news» und «algorithmic bias» umzugehen? Sollten wir in Gesprächen über künstliche Intelligenz im gleichen Atemzug immer auch über „künstliche Dummheit“ reden?
  19. Braucht es andere Fragestellungen als bisher (enger gefasst, sehr spezifisch, so dass KI keinen grossen Nutzen hat)? Z.B. nicht «Medienkompetenzkonzepte allgemein», sondern «Medienkompetenz konkret auf das Phänomen Robotik bezogen».
  20. Muss in Zukunft der Schreibprozess mitbewertet werden und nicht erst das Produkt (vgl. Rickert 2022)?
  21. Müssen in Zukunft subjektive Bezüge, Emotionen und Meinungen der Schreibenenden einen höheren Stellenwert im Text haben (vgl. Minor 2023)?
  22. Müssen Lernenden am Schluss der Arbeit mündlich befragt werden (vgl. Minor 2023)?
  23. Welche Auswirkungen hat KI auf die schulische Textproduktion? Auch Gedichte, Aufsätze, Essays und andere Arten von Text können durch KI-Systeme produziert werden.

Hinweis: Dieser Text wurde von einem Menschen geschrieben.

Literatur und Links:

Minor, Liliane (2023): Naht das Ende des Aufsatzes? Tages-Anzeiger. 5.1.2023, S. 15

Rickert, Alex (2022): Nehmen uns Maschinen das Schreiben ab? akzente 4/2022. Pädagogische Hochschule Zürich, 25.11.2022. https://blog.phzh.ch/akzente/2022/11/25/nehmen-uns-maschinen-das-schreiben-ab/#more-8065

Stokel-Walker, Chris (2022): AI bot ChatGPT writes smart essays — should professors worry? The bot is free for now and can produce uncannily natural, well-referenced writing in response to homework questions. nature, 9.12.2022. https://www.nature.com/articles/d41586-022-04397-7?fbclid=IwAR3e8SKJpoNtV2vgpGy6WWiJKisJEI41ciIIckZj7v9SOKowfNLpXywJnzI

Wampfler, Philippe (2022): Betrug, Verbote oder Nutzung: Was GPTChat für die Schule bedeutet. Schule Social Media. https://schulesocialmedia.com/2022/12/08/betrug-verbote-oder-nutzung-was-gptchat-fur-die-schule-bedeutet/

Döbeli Honegger, Beat (2023): ChatGPT & Schule. Einschätzungen der Professur „Digitalisierung und
Bildung“ der Pädagogischen Hochschule Schwyz. https://mia.phsz.ch/pub/MIA/ChatGPT/2023-chat-gpt-und-schule-v117.pdf

Linksammlung von Mirjam Egloff: https://www.schabi.ch/seite/KI-und-Schule

Peter Holzwarth Kurzbio
http://www.phzh.ch/personen/Peter.Holzwarth http://phzh.educanet2.ch/peter.holzwarth/ - Dozent für Medienbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich - Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg - Interessengebiete: Aktive Medienarbeit (Fotografie, Video, Audio), Filmbildung, Migration im Film, interkulturelle Bildung, visuelle Forschungsmethoden, Werbung und Werbekompetenzvermittlung, globales Lernen - Autor des Buchs "Kreative Medienarbeit mit Fotografie, Video und Audio."
Verfasst am 19.01.2023
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