Mit Messengern lehren und lernen

Abb. 1: Messenger-Dienste als Alltagsbegleiter: Welche Möglichkeiten bieten sie in Lehrkontexten? Bild von Jule Murmann, CC BY-NC-SA 4.0

Messenger-Dienste bieten neue methodische, didaktische und pädagogische Möglichkeiten, die Lehrkontexte bereichern können. Ihre Allgegenwärtigkeit, alltägliche und breite Nutzung, flexible und schnelle Kommunikation sowie die Möglichkeit, mit Links, Videos und Fotos eine Vielzahl an unterschiedlichen medialen Formaten zu teilen, machen sie zu einem geeigneten Tool zur lebensweltorientierten Auffrischung und Vertiefung von Lerninhalten, die quasi beiläufig Denkanstöße und Aha!-Effekte bei Lernenden zu erzeugen können. Die niedrigschwellige Kommunikation über Messenger-Dienste kann auch ein positives, inklusives Lernklima und einen lernbezogenen Austausch in der Lerngruppe sowie zwischen Lehrenden und Lernenden unterstützen. Dieser Blogeintrag illustriert einige konkrete Möglichkeiten des Einsatzes von Messenger-Diensten zum Lernen und Lehren mit Beispielen aus der Vermittlung von Medienkompetenz in der beruflichen Bildung.

Kern der Idee ist: Der Messenger wird zum Aktionsraum und Pool, der die Ausbildungsinhalte auf vielfältige Weise spiegelt und gemeinsam von Ausbildenden und Lernenden gefüllt und bespielt wird. Er ist dabei als ergänzendes Angebot zu bereits bestehenden Tools (wie beispielsweise Lernplattformen) zu sehen. Im besten Fall wirkt der ungewohnte und neuartige Einsatz einer alltagsvertrauten Technologie dabei an sich als motivierendes Moment. Sowohl an allgemeinbildenden Schulen als auch in der beruflichen Bildung und unabhängig von den Lerninhalten können Lehrkräfte über Messenger-Dienste z.B. (vgl. auch Parker 2011):

  • Lerninhalte auffrischen, vertiefen, wiederholen;
  • Aufgaben stellen;
  • Feedback einholen;
  • Lernunterstützung geben.

Die hier dargelegten Beispiele beziehen sich auf die Anwendung im Gruppenchat mit der ganzen Lerngruppe und der Lehrperson. Im Rahmen des Forschungsprojekts IDiT (www.idit.online) wurden einige der hier dargestellten Ideen mit vier Lehrgängen mit Kaufleuten für Büromanagement ergänzend zu Unterrichtseinheiten zum Thema Medienkompetenz am Berufsförderungswerk Köln erprobt und evaluiert. Der hierfür entwickelte „Redaktionsplan“ steht als OER zur Verfügung (www.daslernbuero.de/medienkompetenz/06). Die Ansätze sind auf viele Fach- und Bildungskontexte sowie sonstige Kontexte des angeleiteten thematischen Austauschs übertragbar.

Mit Messengern Lerninhalte auffrischen, vertiefen, wiederholen

Abb. 2: Bsp. Protokollfunktion zum Thema Faktenchecks.

Diese Kategorie beinhaltet Vorschläge dazu, wie Lerninhalte über einen Messenger nachbereitet, vertieft, aufgefrischt oder mit weiteren Denkanstößen versehen werden können. Der Messenger kann eine Protokollfunktion einnehmen, indem beispielsweise Unterrichtsergebnisse (Tafelbilder, Flipcharts, Moderationskarten etc.) per Foto über den Chat geteilt werden. Oder aber die Lehrkraft versendet im Nachgang Links zu im Unterricht erwähnten Webseiten, die die Lernenden dann jederzeit griffbereit auf ihrem Smartphone haben (Abb. 2).

Auch können Ergebnisse aus Gruppen-/Projektarbeiten im Messenger zur Verfügung gestellt werden, indem z.B. statt eines Handouts oder einer Präsentation eine Audiodatei als Podcasts geteilt wird. Dies kann die Lehre/Ausbildung (im Sinne des Universal Design for Instruction) inklusiver gestalten, da die Lernenden selbst wählen können, in welcher Form sie ihre Ergebnisse aufbereiten möchten (UDI-Prinzip 2: Flexibilität in der Benutzung). Lehrkräfte können außerhalb der Lehrstunde den Stoff auf unterhaltsame Weise in Erinnerung rufen – Parker (2011, S. 14), nennt dies „Seeds of Inspiration“. Diese Inspirationen können interessant, überraschend, emotional oder lustig sein. Beispiele sind etwa lernstoffbezogene Sprichworte, Zitate, Comics, Memes, kurze Videos (Abb. 3, 4), Vorschläge zu Hashtags (Twitter/Instagram) oder auch Veranstaltungstipps. Ist die Idee einmal verstanden, können auch Lernende ihrerseits solche Inspirationen teilen.

Bsp. Inspiration zum Thema Deep Fakes.
Abb. 4: Bsp. Inspiration zum Thema Google.

Auch das Teilen vertiefender, ausführlicherer Inhalte ist möglich – etwa durch Verweise auf längere Podcast-Folgen (Abb. 6, 7) oder ganze Podcast-Reihen, auf Erklärvideos (Abb. 5) oder Reportagen, oder auch auf Webseiten, die die behandelten Themen tiefergehend darstellen.

Abb. 5: Bsp. Vertiefung zum Thema Big Data.
Abb. 6: Bsp. Vertiefung zum Thema Messenger-Dienste.
Abb. 7: Bsp. Vertiefung zum Thema Google-Alternativen.

Oder aber kleine Auffrischer reaktivieren Lerninhalte beiläufig, etwa indem Lehrenden eine kurze Textnachricht nach dem Prinzip „Wissen Sie noch…“ senden und kurze Zeit später folgt dann die Auflösung.

Im Messenger Aufgaben stellen

Der Chat kann auch dazu genutzt werden, Lernende zu bestimmten lernunterstützenden Aktivitäten aufzufordern.

Die unter dem Begriff One-Minute-Papers bekannte Methode (ursprünglich mit Papier und Stift, vgl. Jansen et al. 2018, S. 116) kann im Messenger digital umgesetzt werden: Lernende werden gebeten, am Ende jeder Lehreinheit einen Satz in den Messenger zu posten, der unterschiedliche Fragen beantworten kann. Zum Beispiel: „Was habe ich heute gelernt?“, „Wovon haben ich heute zum ersten Mal gehört?“, „Welchen Inhalt werde ich auf jeden Fall Freunden/der Familie erzählen?“, „Was könnte ich auch anderen beibringen?“

Bei sich eignenden Themen können Lernende auch dazu aufgefordert werden, „Detektive“ zu spielen, und im Alltag die Augen offen zu halten für Themen, die im Unterricht behandelt werden. Wenn sie auf ein solches Thema stoßen, können sie dies dokumentieren (z.B. per Foto) und in der Gruppe posten. Anwendungsbeispiel aus dem Bereich Medienkompetenz: Plakatkampagnen im städtischen Raum, die mit Datenschutz für digitale Dienstleistungen werden (z.B. DuckDuckGo oder Firefox). Über den Chat können Lehrende auch Herausforderungen („Challenges“) platzieren, die im Unterricht behandelte Themen spielerisch in den Alltag der Lernenden hineintragen (Abb. 8, 9, 10).

Abb. 8: Bsp. Challenge zum Thema Google-Alternativen.
Abb. 9: Bsp. Challenge zum Thema WhatsApp-Alternativen.
Abb. 10: Bsp. Challenge zum Thema DSGVO/Recht auf Auskunft.

Einige Messenger-Dienste verfügen über eine Umfrage-Funktion. Diese kann für kleine Rätsel oder Quizze genutzt werden (Abb. 11). Wenn keine Umfrage-Funktion vorhanden ist, können die Antwortmöglichkeiten auch einfach nummeriert werden, und die Lernenden posten dann die Nummer ihrer Antwort in den Chat.

Abb. 11: Bsp. Quiz (in Umfrage-Funktion) zum Thema personenbezogene Daten.

Im Messenger Feedback einholen

Der Messenger kann auch dazu genutzt werden, dass Lehrende Feedback zu bestimmten Unterrichtseinheiten oder ganzen Kursen von den Lernenden einholen.

Dies kann z.B. über die Umfrage-Funktion geschehen – hier ist differenzierteres Feedback mittels konkreter Aussagen möglich (Abb. 12). Oder aber – eher spielerisch gedacht – die Lernenden posten nach jeder Unterrichtseinheit ein Emoji in den Chat, das ihre Einschätzung der Stunde wiedergibt. Möglich ist auch eine Kombination: Eine Umfrage erstellen, die mit Emojis arbeitet (Abb. 13).

Abb. 12: Bsp. Feedback mit Aussagen in Umfrage-Funktion.
Abb. 13: Bsp. Feedback mit Emojis in Umfrage-Funktion.

Im Messenger Lernunterstützung geben

Diese letzte Kategorie meint einerseits Unterstützung durch das Sammeln und Beantworten von thematischen und organisatorischen Fragen (im Gruppenchat oder im Einzelchat zwischen Lehrperson und Lernenden), andererseits allgemeine organisatorische Unterstützung z. B. durch aktuelle Mitteilungen aus der Bildungseinrichtung.

Gerade die informelle Anmutung von Messenger-Kommunikation fördert im besten Fall das lockere Fragenstellen, das zu fruchtbarem Austausch führen kann. Fragen können hier auch thematisch gesammelt werden und bei passender Gelegenheit beantwortet werden – hierfür kann ein Zeitschema entworfen werden, das beispielsweise vorsieht, dass alle Fragen jeweils an einem bestimmten Wochentag, spätestens nach 48 Stunden o.ä. beantwortet werden. Auch besteht die Möglichkeit des Antwortens durch die Peer-Group, also die Mitlernenden. Über Sprachnachrichten kann auch ein Audio-Talk initiiert werden: Lernende stellen mündlich im Chat ihre Fragen, Lehrende oder andere Lernenden antworten.

Weiterführende Hinweise

Bei der Auswahl eines Messenger-Dienstes für die Nutzung an einer Bildungseinrichtung sind die Kriterien Datenschutz, Praktikabilität und Barrierearmut zu berücksichtigen. Ausführliche Kriterien und Empfehlungen finden sich hier: „Datenschutzgerecht und barrierearm kommunizieren. Kriterien zur Auswahl von Messenger-Apps für Bildungseinrichtungen“ (Zorn et al. 2021). Neben der Auswahl fallen bei der Nutzung einer Messenger-App eine Reihe an Fragen und zu klärenden Rahmenbedingungen an, darunter z.B. Freiwilligkeit der Teilnahme, ggf. technische Vorbereitungen, Nutzungshinweise, Rolle des Messengers in der Ausbildung/im Unterricht, Festlegung einer „Chatiquette“ etc. Vertiefungslektüre zu diesen Punkten: „Messenger als Kommunikations- und Vermittlungstool in der beruflichen Bildung“ (Murmann et al. 2021).

Ergänzende OERs zum Thema des Blogbeitrags und zur Durchführung finden sich hier: www.daslernbuero.de/medienkompetenz/06. Dieser Beitrag ist entstanden im Rahmen des Projekts IDiT – INCLUDING.DIGITAL.TWINS. Inklusives Mentoring und mediale Kompetenzen für Rehabilitand:innen und Azubis in kaufmännischen Berufen/der Berufsausbildung (www.idit.online, 2018-2021). Das Projekt wurde gefördert von BMBF, ESF und EU. Förderkennzeichen: 01PE18015B.

Quellen und Literatur

Jansen, Marc; Bollen, Lars; Hoppe, Ulrich H. 2018. Technologiekonzepte zur Unterstützung mobiler Lernszenarien durch Cloud Computing. In: De Witt, Claudia; Gloerfeld, Christina (Hrsg.): Handbuch Mobile Learning. Wiesbaden: Springer. S. 101-122.

Murmann, J.; Zorn, I.; Gühnemann, D.; Heister.; Olek, A. 2021. Messenger-Dienste als Kommunikations- und Vermittlungstool in der beruflichen Bildung. Köln: TH Köln. https://idit.online/fileadmin/user_upload/Working_Paper/Messengerdienste_Nutzung_BeruflicheBildung_IDiT_WP10.pdf

Parker, J. 2011. Mobile Learning Toolkit. Online-Veröffentlichung (ohne Ort). CC BY-NC-SA. http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/—ed_emp/—emp_ent/—coop/documents/instructionalmaterial/wcms_644686.pdf

Zorn, Isabel; Murmann, Jule; Harrach-Lasfaghi, Asmae. 2021. Datenschutzgerecht und barrierearm kommunizieren. Kriterien zur Auswahl von Messenger-Apps für Bildungseinrichtungen. Köln: TH Köln. https://epb.bibl.th-koeln.de/frontdoor/deliver/index/docId/1702/file/Messengerdienste_Kriterien_Bildung.pdf

Lizenzhinweise

Weiternutzung als OER ausdrücklich erlaubt: Dieses Werk und dessen Inhalte sind – sofern nicht anders angegeben – lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0. Nennung gemäß TULLU-Regel bitte wie folgt: „Mit Messengern lehren und lernen“ von Jule Murmann, CC BY-NC-SA 4.0.“

Der Lizenzvertrag ist hier abrufbar: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/deed.de.

Alle Abbildungen mit Beispielen der Messenger-Nutzung sind Screenshots aus Threema und von der Lizenzierung ausgenommen.

Jule Murmann Kurzbio
Jule Murmann ist Film- und Medienwissenschaftlerin. Nach ihrem Studium der Medienwissenschaft, Psychologie und Neueren Geschichte in Bonn arbeitete sie fünf Jahre am Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main. Als Kuratorin und Projektleiterin betreute sie dort Ausstellungs- und Vermittlungsprojekte. Am Institut für Medienforschung und Medienpädagogik der TH Köln befasst sie sich als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit digitalem, inklusivem Lehren und Lernen in der beruflichen Bildung.
Verfasst am 18.01.2022
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