Was ist ein gutes Lernvideo?

Gelungene Videotutorials in der Medienpädagogik

CC BY Sandra Schön

Filmen, Schnitt und Veröffentlichung von kurzen (Lern-)Videos ist mit Tablet Computern wesentlich einfacher als mit herkömmlichen Ausrüstungen. Im medienpädagogischen Praxisprojekt „Ich zeig es Dir – HOCH 2“ (kurz IZED2), bei dem 9- bis 12-Jährige Lernvideos mit iPads produzieren, ging es daher nicht nur um Videotechniken wie Trickfilm und Greenbox, sondern auch um die einfache Frage: Was ist eigentlich ein gutes Lernvideo?

Erarbeitung mit Kindern: Kriterien für gute Lernvideos – das Vorgehen und Ergebnis

Im zweistündigen Workshop – es war der fünfte Workshop im Projekt IZED2 – wollten wir mit den 10- bis 12-jährigen Jugendlichen erarbeiten, was ein gutes Lernvideo ist. Nachdem die Kinder schon Einführungen zu Screencast, Stimme, Kamera und Schnitt sowie Trickfilm (StopMotion) am iPad erhalten haben und etliche Lernvideos produziert hatten war dies auch ein guter Zeitpunkt.

Einige Videos – gute, schlechte und solche zum Mittanzen – wurden vorher ausgewählt und gemeinsam mit den Kindern angeschaut. Gemeinsam wurde dazu auf einem Plakat gesammelt, was ein richtig schlechtes Lernvideo ausmacht.

Das Ergebnis dieser Gruppenarbeit sah so aus:

Kriterien für schlechte Lernvideos

Dann hieß die Aufgabe: Wir machen richtig schlechte Lernvideos: Alle nahmen sich einen oder mehrere Zettel aus der Sammlung oder packten gleich mehrere Aspekte in ihre Videos. Es wurde zu langsam gesprochen, zu schnell, mit viel zu vielen Fremdwörtern, mit Gummibärchen im Mund. Es wurde gestört, gewackelt und unpassende Hintergründe verwendet. Und natürlich kam keiner auf die Idee zu sagen, um was es in seinem Lernvideo überhaupt geht und alles mögliche veranstaltet um vom eigentlichen Inhalt des Lernvideos abzulenken. Wir haben nach dem Workshop alles zusammengeschnitten und heraus kam dieses Video zum „perfekten Lernvideo“:

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Das gute Lernvideo: Eine vorläufige Liste

Was ist nun ein gutes Lernvideo? – Die TeilnehmerInnen bemerkten zu Recht, dass sie nun gut Stärken und Schwächen von anderen Videos erkennen, aber dass sie selbst noch nicht so richtig wüssten, wie man es anpackt. Es ist sicher ein Lernprozess, ein Drehbuch so zu entwerfen, dass ein wirklich gutes Lernvideo entsteht. Und wir „Großen“ sind von Perfektion auch noch weit entfernt.

Die folgende Liste von Merkmalen eines guten Lernvideos ist in diesem Sinne auch vorläufig, und kann gerne ergänzt werden:

  • BESCHREIBUNG: Geht aus der Beschreibung des Videos (z.B. Titel und Beschreibung bei Youtube) klar hervor um was es geht, was erklärt, gezeigt oder gelehrt werden soll?
  • AUFBAU: Hat man nach den ersten Sekunden ein (passendes) Bild davon, was einem in den Video erwartet? Gibt es am Ende eine kurze Zusammenfassung?
  • LÄNGE: Das Video soll auch „nicht zu kurz und nicht zu lang“ sein. Für ein Lernvideo im Internet sollte es daher in der Regel etwa zwischen 2 und 5 Minuten lang sein.
  • VIDEOQUALITÄT: Fürs Internet muss es nicht unbedingt HD- und Hollywood-Qualität haben, aber es muss dringend auch im „Kleinformat“ das Wichtigste erkenn- und lesbar sein. Wackeln, schlechte Beleuchtung, blöde Schnitte – solche Dinge sollten vermieden werden, auch weil sie beim Lernen stören.
  • SPRACHE: Gesprochenes und Geschriebenes sollte möglichst einfach und Zielgruppen angepasst sein. Fremdwörter sollten beispielsweise bei Lernvideos für Kinder grundsätzlich vermieden oder erklärt werden.
  • WIEDERHOLUNGEN: Kompliziertes darf gerne wiederholt werden – in veränderter Form oder in anderem Modus, d.h. ein Fachbegriff kann definiert werden, anschließend an einem Beispiel erklärt werden und ergänzend eingeblendet werden.
  • KEINE ABLENKUNG: Tanzt ein Bär im Hintergrund? Sieht man Adventskerzen wenn man über Ostern spricht? Sitzt die Krawatte des Sprechers schief? Das alles kann für Lachen sorgen, vom Inhalt wird aber nicht mehr viel mitbekommen.
  • PASSENDE und ANSCHAULICHE VISUALISIERUNG: Der gesprochene Texte sollte in jedem Fall zu dem gezeigten Bild passen. Wer über die Höhe des Eiffelturm spricht, sollte auf alle Fälle den Eiffelturm zeigen (und keinen Park in Paris). Noch besser wäre es, wenn, beispielsweise durch das Hineinzeichnen von gestapelten Einfamlienhäusern oder Fussballfeldern auf ein Foto des Eifelturms gezeigt wird, wie hoch der Eiffelturm im Vergleich mit bekannten Größen ist.
  • GESCHICHTEN MIT INFORMATIONEN: Klar geht es bei Lernvideos um Informationen, die müssen auch enthalten sein. Aber warum nicht Informationen in eine gute Geschichte packen, in ein Abenteuer, eine Reportage, eine persönliche Geschichte?
  • UNTERHALTUNGSWERT: Ein Lernvideo sollte sich auf die Inhalte konzentrieren, darf aber natürlich auch einen gewissen Unterhaltungswert haben. Geschichten erzählen ist eine Variante, zu unterhalten. Auch kreative und überraschende Gestaltungsformen können „nebenbei“ für Unterhaltung, d.h. auch Aufmerksamkeit, sorgen. Die Common-Craft-Legetechnik-Videos oder auch die gerade populären professionellen Whiteboard-Technik-Videos sind hier Beispiele dafür. Die Grenze zur Ablenkung ist dabei natürlich fließend.
  • WENIG PERSONENAUFNAHMEN: Es ist manchmal schön zu sehen, wie Expertinnen oder Experten aussehen oder dass ein gleichaltriges Kind etwas erklärt, woran man selbst noch knabbert. Natürlich ist es auch gut, wenn einem vorgetanzt wird, wenn man erklärt bekommt, wie z.B. der Moonwalk geht. Personenaufnahmen sind u. U. auch interessant, wenn anhand der Geschichten von Personen etwas aufgeklärt wird: Das beste Beispiel sind wohl die Sachgeschichten der Maus, bei der ein Reporter loszieht um etwas aufzuklären. In der Regel können Lerngegenstände oder Probleme viel besser mit der Sache selbst oder passenden Darstellungsweisen erklärt werden. Mit dem Titel unseres Projekts ausgedrückt ist nicht das „ich“ sondern das „es“ zu betonen: „Ich zeig ES Dir“.
  • KORREKTHEIT: Auch bei den von uns präsentierten Lernvideos zeigte sich: Fehler passieren häufig. Ein fehlerhaftes Lernvideo sollte aber natürlich in jedem Fall vermieden werden. Einzige Ausnahme ist, wenn Fehler das Programm selbst sind („Finde den Fehler“, „Lügengeschichten“).
  • DIE RICHTIGE LIZENZ: Ein Lernvideo sollte nicht einfach so nur im Web zur Verfügung stehen, weil das manchmal die Nutzung kompliziert macht: Darf ich es beispielsweise überhaupt im Unterricht vorführen oder in meinem Online-Kurs einbetten? Darf ich es herunterladen und offline präsentieren? Haben die Urheber vielleicht sogar das Interesse, dass ihr Video von anderen auch modifiziert und wiederveröffentlicht werden kann? Entsprechende Lizenzierungen sind wichtig.

Haben wir etwas wichtiges übersehen? Wir freuen uns über Hinweise!

Dies ist ein Gastbeitrag von Sandra Schön und Martin Ebner.

Sandra Schön

Dr. Sandra Schön arbeitet als Senior Researcher bei der Salzburg Research Forschungsgesellschaft und ist leitet beim BIMS e.V. das Praxisprojekt „Ich zeig es Dir – HOCH 2“. Im Projekt produzieren Kinder frei zugängliche Lernvideos mit iPads. Mehr zum Peer3-Projekt „Ich zeig es Dir – HOCH 2“ hier.


Martin EbnerUniv.-Doz. Dr. Martin Ebner
ist Leiter der Abteilung Vernetztes Lernen an der Technischen Universität Graz und ist für sämtliche E-Learning-Belange zuständig. Zudem forscht und lehrt er als Medieninformatiker am Institut für Informationssysteme Computer Medien rund um technologiegestütztes Lernen. Bei IZED2 ist er u.a. Kooperationspartner für die Begleitforschung.

Verfasst am 11.03.2013
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