Mini-Serie: (VR und) 360 Grad in der Kinder- und Jugendarbeit – Einleitung – Teil 1/4

CC BY-NC-ND Jugendnetzwerk SDM

Virtuelle Realität, kurz „VR“, und sphärische Panoramen, kurz „360°“, ermöglichen uns einen Ortswechsel, einen Rollentausch und geben uns die Möglichkeit, Dinge aus anderen Perspektiven und Blickwinkeln zu betrachten. Zur Darstellung werden spezielle Ausgabegeräte, sogenannte Head-Mounted Display´s (wörtlich „am Kopf befestigte Anzeige“), benötigt. Die Identifikation in und mit der virtuellen Welt wird als “Immersion” bezeichnet, aus dem englischen übersetzt „Eintauchen“.

Laut Wikipedia ist im Unterschied zur passiven, filmischen Immersion, in der virtuellen Realität eine Interaktion möglich, also eine Handlung, in welcher du dich bewegen und mit Hilfe von Controllern interagieren kannst. Dadurch wird eine wesentlich höhere Intensität der Immersion erreicht. Die Immersion bei 360-Grad-Bildmaterial, also sphärischen Panoramen, welche sämtliche Blickwinkel wiedergeben, liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Einfach gesagt, desto mehr Sinne gereizt werden, desto intensiver ist das Erlebnis.

Im Gegensatz zu VR erfordert das Betrachten von sphärischen Videos und Bilder kein spezielles Head-Mounted Display mit Controllern, sondern lediglich ein Smartphone und eine sogenannte Cardboard-Brille, eine Halterung aus Karton mit zwei Sammellinsen, welche auch die Technik der Stereoskopie nutzt.

Erste Stereoskope gab es schon vor 1900. Google veröffentlichte 2014 die erste Cardboard Brille. Diese ermöglicht mit einem Smartphone eine 3D Ansicht in 360°,  dank der stereoskopischen Illusion, also der Zweiteilung des Bildes, sowie der Erkennung der Kopfbewegung über die eingebauten Sensoren in Smartphones (Gyroskope bzw. Kreiselinstrument).  Mit einer Cardboard Brille und einem Smartphone kannst du nun in einem 360° Video in alle Richtungen blicken, als wärst du tatsächlich vor Ort.

Stereoskopische Illusion selber machen
Um zu Verstehen wie die Technik der stereoskopischen Illusion funktioniert, können eigene 3D Fotos gemacht werden.

CC BY-NC-ND Jugendnetzwerk SDM

Eine schnelle und einfache Möglichkeit bieten „3D Camera“ APPs auf Tablets oder Smartphones und eine einfache 3D Brille (rot/blau), welche selbst gebastelt oder günstig gekauft werden kann. Es gibt auch einige Beispiel-Bilder und Videos im Netz. Es wird einfach das Motiv aus zwei zueinander versetzten Blickwinkeln aufgenommen, meistens der Abstand der menschlichen Augen zueinander, und übereinandergelegt. Für mich ein Aha-Erlebnis!

 

 

Immersives Lernen mit Kinder und Jugendlichen!
Einige kostenlose Angebote für VR und 360° gibt es. Als Beispiel für den Unterricht und die Kinder und Jugendarbeit sind sicher die vorgefertigten 360°-Entdeckungsreisen von “Google Expeditions”. Bis Virtual Reality mit der Möglichkeit der Interaktion im Unterricht eingesetzt werden kann, dauert es meiner Meinung nach, aufgrund des kleinen Angebotes und der aktuell noch hohen technischen Anforderungen, sicher noch einen Moment. Wobei Marc Zuckerberg mit der bald erhältlichen VR-Brille “Oculus Go” für USD 199.- eine Lösung verspricht. Ich bin gespannt.

Bei 360° ist die Sache meiner Meinung nach einfacher. Brillen können selbst gebastelt oder günstig erworben werden. Inhalte können dank “Bring Your Own Device” (BYOD) mit dem eigenen Smartphone erstellt, bearbeitet und anschließend betrachtet werden. Für mich ist es auch ein Mehrwert wenn die Kinder und Jugendlichen nach dem Unterricht oder den Workshops das gelernte weiter umsetzen können. Die Kartonbrillen dürfen sie jedenfalls bei uns immer behalten.

Durch den niederschwelligen, kostengünstigen Zugang und die Einfachheit in der Umsetzung war der Einsatz von 360° in unseren Projekte in der offenen Kinder- und Jugendarbeit immer ein Mehrwert. Später beschreibe ich, wie wir in unseren Projekten sogenannte 360°-Tools einsetzen und wie diese Hilfsmittel für eigene Projekte genutzt werden können.

Nun aber nochmals kurz zurück zur Schule.

Was ist mit den Pädagoginnen und Pädagogen, sehen diese einen Mehrwert für den Unterricht?

Glaubt man der Studie „VR im Unterricht“ von Kantar Emnid im Auftrag von Samsung Electronics im November 2016, hat der Einsatz von VR als Lernmedium signifikante Vorteile. Die Lehrpersonen sehen ein großes Potenzial für die Nutzung von Virtual Reality im Unterricht. Besonders im Aspekt des Erlebens, im Erfahrungen machen, die die Kinder sonst nie machen würden. Aber auch um Orte zu erkunden, an denen sie sonst nicht kommen würden. Zwei Drittel der Befragten sind auch der Meinung, das sich die Motivation der Schülerinnen und Schüler steigert und sich der Lernerfolg verbessert. Den größten Nutzen von Virtual Reality wird den Fächern Geografie/Erdkunde, Geschichte und Naturwissenschaften zugeschrieben.

Samsung (2017): „Samsung Studie: Lehrer sehen großes Potenzial für die Nutzung von Virtual Reality im Unterreicht“ URL: https://news.samsung.com/de/samsung-studie-lehrer-sehen-grosses-potenzial-fuer-die-nutzung-von-virtual-reality-im-unterricht/ [Stand: 26.02.2018]

Und die Schülerinnen und Schüler?

Dass die Kinder und Jugendlichen sich den Einsatz von Virtual Reality wünschen ist vermutlich klar. Laut YouGov-Umfrage, auch im Auftrag von Samsung Electronics, wünschen sich drei von vier Schülerinnen und Schülern den Einsatz von VR im Unterricht.

Samsung (2017): „Drei von vier Schülern wünschen sich Einsatz von Virtual Reality im Unterricht“ URL: https://news.samsung.com/de/drei-von-vier-schulern-wunschen-sich-einsatz-von-virtual-reality-im-unterricht/ [Stand: 26.02.2017]

In einem unserer Jugendtreffs vom Jugendnetzwerk SDM haben wir zur Ergänzung der PlayStation4 ein Sony PS VR Headset angeschafft. Es wird von einigen rege genutzt, während andere das intensive Immersions-Erlebnis nicht vertragen. Dies kann von Spiel zu Spiel unterschiedlich sein. Es braucht teilweise wenig Bewegung im Spiel um “VR-krank” zu werden. Die “VR-Krankheit” ist vergleichbar mit der See- oder Flugkrankheit und tritt in Form von Übelkeit, Unwohlsein und anderen Symptomen als Resultat einer körperlichen Irritationen bei hoher Intensität der Immersion auf. Für einen barrierefreien Unterricht braucht es für Virtual-Reality-Erlebnisse sicher noch Lösungen bzw. muss die Qualität der Inhalte verbessert werden. Die Forschung der Auswirkung auf den Körper und die Gesundheit steht lt. Wikipedia erst am Anfang.

Nichtsdestotrotz überwiegen für mich die Vorteile. Da die Immersion bei 360°-Inhalten nicht so intensiv wirkt und das “Erlebnis” nicht zu lange dauert, werden wir in Zukunft weiter bei Projekten mit sphärischen Panoramen arbeiten. Wenn ihr schon Lösungen parat habt, oder gegenteilige Erfahrungen gemacht habt, freue ich mich über eure Kommentare.

In den nächsten Folgen beschreibe ich, wie ihr im schulischen als auch im außerschulischen Setting, für eure Projekte sogenannte 360°-Tools einsetzen könnt.

Steven Marx Kurzbio
lebt in Österreich, ist Jugendarbeiter beim Jugendnetzwerk Soziale Dienste Mittelrheintal in der Schweiz und angehender Medienpädagoge, gelernter Druckvorstufentechniker, Vater von drei Kindern, Tüftler und Ideenspinner.
Verfasst am 10.04.2018
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